BodyshamingWarum wir andere Körper abwerten
Bodyshaming ist in unserer Gesellschaft tief verankert. Wie schnell wir andere Körperformen bewerten, weiß auch Influencerin Laura Melina Berling. Sie erklärt, wie sie selbst in solchen Situationen versucht, ihr Denken zu verändern. Gesundheitssoziologe Friedrich Schorb erläutert, warum wir überhaupt abwertende Kommentare über das Aussehen anderer machen.
Jede Epoche hat ihr Körperideal: Ganz früher waren es Frauen mit Rundungen, wie sie Rubens gemalt hat, in den 90er-Jahren füllten superdünne Models wie etwa Kate Moss die Modezeitschriften und aktuell gilt der pralle Hintern von Kim Kardashian als vorbildlich. Es sind Schönheitsideale, an denen andere Frauen sich messen und gemessen werden.
Obwohl die Wissenschaft es besser weiß, stempeln wir aber mehrgewichtige Menschen immer noch als faul ab, sagt Gesundheitssoziologe Friedrich Schorb. Im Gegensatz zu anderen Diskriminierungsformen ist Bodyshaming sogar von der Gesellschaft akzeptiert, weil es als eine positive Disziplinierungsmaßnahme wahrgenommen wird.
"Das ist ein Problem, dass viele Menschen denken, dass das Körpergewicht etwas ist, was man sich selbst ausgesucht hat und selbst daran schuld ist."
Soziologisch gesehen treten wir dabei immer nach unten. Das bedeutet, sagt Friedrich Schorb, dass wir bei unseren negativen Bewertungen immer versuchen, besser dazustehen. Wenn Laura Melina Berling sich bei solchen Gedanken erwischt, dann versucht sie sich selbst darüber bewusst zu werden, was sie da eigentlich gerade denkt.
Bewusstsein für eigenes Bewerten bekommen
Sie sagt, dass sie es menschlich findet, unschöne Gedanken über andere Menschen zu haben, aber dass wir es selbst auch in der Hand haben, diese zu verändern und unsere Denkstrukturen umzuprogrammieren.
"Ich glaube, das haben wir alles sehr in uns abgespeichert und das ist ja auch okay, aber man kann das auch nach und nach umlernen und seine Seh- und Denkgewohnheiten verändern."
Es ist auch eine Frage der Macht, wer entscheiden kann, was schön ist, sagt Laura Melina Berling. Wer sich dagegen auflehnt und diesen Ansprüchen nicht mehr nachkommen möchte, stellt ein Weltbild in Frage. Das bedeutet einerseits mehr Selbstbestimmung – und könnte andererseits aber auch dazu führen, dass andere Angst bekommen, weil man ihre Denk- und Bewertungsmuster infrage stellt.
Was hilft, wenn man sich selbst beim Bewerten erwischt
Viele von uns haben selbst schon einmal unter den Bewertungen durch andere gelitten. Laura findet, dass dabei oft auch eine gewissen Willkür herrscht: Wenn etwa bei der einen Frau ein Rock als zu lang und die Trägerin als prüde bezeichnet wird, und beim nächsten Mal fällt dann der Kommentar, dass der Rock zu kurz ist und die Frau eine "Schlampe" sei. Wer kritisieren möchte, findet Gelegenheiten bei jeder Körperform und jeder Rocklänge.
Dass wir gerade in der jetzigen Zeit so viel bewerten, liegt auch am stetig wachsenden Perfektionismus in der Gesellschaft, sagt Friedrich Schorb. Wir wollen dem Ideal entsprechen, sowohl beim Job, in der Freizeit und auch was das Körperbild angeht. Inzwischen wurde sogar Biene Maja in der aktuellen Version der Serie schlanker gemacht.
"Ich hab einfach keine Lust, mich die ganze Zeit zu reglementieren und deshalb möchte ich meine Arbeit lieber da reinstecken, meine Sicht auf mich und andere Körper zu verändern."
Aber wie können wir das eigene Bewerten von anderen Menschen besser in den Griff bekommen? Zum einen kann eine bewusste Entscheidung gegen die Reglementierung der Gesellschaft Gedanken verändern. Und auch darüber mit anderen zu sprechen, hat Laura Melina Berling geholfen. Dadurch hat sie gemerkt, dass sie mit ihren eigenen Körperunsicherheiten nicht alleine ist und alle mit Bodyshaming kämpfen.
Auf der anderen Seite liegt die Verantwortung auch in unserer Gesellschaft. Manchmal kann es zu viel sein, sich alleine gegen viele zu stellen und super-selbstbewusst zu seinem Körper zu stehen, erklärt Friedrich Schorb. Das sei ein riesiger Anspruch an sich selbst. Aber was ist die Alternative!?
Fakt ist, wir sind die Gesellschaft, also haben wir es auch mit in der Hand, wie wir über andere sprechen und können versuchen, zumindest einen kleinen Teil der Verantwortung mit zu tragen.