Biodiversität in DeutschlandArtenschutz hat meist keine hohe Priorität

Bis 2030 soll der Verlust der biologischen Vielfalt gestoppt werden. In Deutschland ist ein Drittel der Arten gefährdet, dazu rund 60 Prozent der Lebensraumtypen wie Grünland und Moore. Was die Politik dagegen tun will.

Der Rückgang der Arten soll nicht nur gestoppt, sondern der Trend soll auch umgekehrt werden. Um dies zu erreichen, hat die Staatengemeinschaft vier langfristige Ziele bis 2050 und 23 mittelfristige Ziele bis 2030 beschlossen. Das ist 2022 bei der letzten UN-Naturschutzkonferenz in Montreal beschlossen worden.

Bei der aktuellen UN-Naturschutzkonferenz, der COP16 in Kolumbien, geht es um konkrete Schritte zur Umsetzung der globalen Naturschutzziele. Genug Anlass zur Frage: Was macht eigentlich die deutsche Bundesregierung, um hierzulande für Biodiversität zu sorgen?

Kein guter Zustand der Artenvielfalt in Deutschland

Denn um die Artenvielfalt in Deutschland steht es nicht gut: Ein Drittel der Arten ist gefährdet. Das ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes von über 150 Fachleuten aus 75 wissenschaftlichen Institutionen, das im September veröffentlicht wurde.

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung besagt, dass 60 Prozent der Lebensraumtypen in einem schlechten Zustand sind. Das gilt insbesondere für artenreiche Gebiete wie Grünland, Moore oder Sümpfe.

"Landnutzung ist ein Problem für den Artenschutz, durch Bebauung, weil total viel versiegelt wird oder eben durch die Landwirtschaft."
Ann-Kathrin Büüsker, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Zunehmend wird auch erkennbar, dass durch den Klimawandel immer mehr Arten gefährdet sind. Und wenn eine Art abnimmt oder gar ausstirbt, dann hat das Folgen für das gesamte Ökosystem.

"Wenn ein Ökosystem Leistungen wie das Filtern der Luft oder das Säubern von Wasser nicht mehr erbringen kann, ist das auch zu unserem Nachteil."
Ann-Kathrin Büüsker, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Seitens der Bundesregierung gibt es Bemühungen, Naturräume wiederherzustellen. Es gibt dafür ein Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz seitens des Umweltministeriums. Bis 2028 will die Regierung dafür 3,5 Milliarden Euro investieren, zum Beispiel um Moore oder Auen zu renaturieren.

Hintergrund: Die EU hat ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur beschlossen, welches in Deutschland bis 2026 in konkrete nationale Pläne gegossen werden muss. Auf dem Papier hat Deutschland bereits eine ganze Menge Schutzgebiete, nur sind viele davon in keinem guten Zustand und haben häufig auch einen niedrigen Schutzstatus.

"Landschaftsschutzgebiet bedeutet meistens eher Schein als Sein."
Ann-Kathrin Büüsker, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Deutschland ist also von dem in Montreal festgelegten Ziel, 30 Prozent Schutzgebiete bis 2030 zu haben, noch weit entfernt. Was fehlt, ist eine globale Gesamtstrategie. Es gibt zwar eine Biodiversitätsstrategie, aber die bräuchte nach Montreal eine Neufassung, die vor der COP16 in Calí nicht rechtzeitig verfasst wurde.

Bei Nutzungskonflikten wird Artenschutz vernachlässigt

So wurden in Deutschland nach den Bauernprotesten Anfang des Jahres Umweltauflagen gelockert, um den Landwirtinnen und Landwirten entgegenzukommen. Brachpflichten wurden wieder abgeschafft, die eigentlich Raum für die Artenvielfalt schaffen sollten.

Bei der Energiepolitik gab es solche Einschränkungen beim Ausbau der Infrastruktur für Flüssigerdgas oder von erneuerbaren Energien. Ein großer Teil von Solarenergie soll auf Freiflächen, das aber nimmt Flächen für die Landwirtschaft weg und erhöht den Ertragsdruck, denn es muss ja trotzdem produziert werden. Das wiederum wird ein Problem für die Artenvielfalt.

"Überall, wo es Nutzungskonflikte gibt, zieht der Artenschutz die schlechte Karte und wird sozusagen politisch vernachlässigt."
Ann-Kathrin Büüsker, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Daher braucht es dringend eine Gesamtstrategie, die den Artenschutz bei solchen Projekten höher priorisiert.