BeziehungsalltagWie wir Gleichberechtigung aushandeln
Sophia fühlt sich in ihrer Beziehung gleichberechtigt, obwohl sie mehr Aufgaben im Haushalt als ihr Freund übernimmt. Eine Paartherapeutin erklärt, wie wir in unserer Beziehung Gleichberechtigung aushandeln können.
Wäsche waschen, Verhütungsmethoden auswählen, Miete und andere Ausgaben bezahlen: Der Alltag und seine Aufgaben holt viele Paare ein und bei nicht wenigen werden auf einmal viele Aufgaben doch eher konservativ verteilt – obwohl sich beide eine gleichberechtigte Beziehung wünschen. Da hilft vor allem: reden und aushandeln.
"Wir sind vor kurzem zusammengezogen und gerade was den Haushalt anging, brauchte es erst einmal Kommunikationsarbeit."
Sophia und ihr Freund wohnen noch nicht lange zusammen. Tatsächlich sind die Aufgaben bei ihnen zurzeit eher konservativ verteilt: Sophia kümmert sich um das meiste im Haushalt, ihr Freund packt an, wenn es um größere Anschaffungen und Reparaturen geht. Sophia empfindet diese Aufgabenverteilung aber als fair, denn sie ist noch Studentin und trotz Uni und Nebenjob öfter zuhause als ihr Freund, der sieben Tage die Woche arbeitet.
Gleichberechtigt muss nicht 50/50 heißen
Die beiden wechseln sich also mit Bad putzen und Wäsche machen nicht ab, sondern größtenteils übernimmt Sophia diese Aufgaben. Ihr Freund, der ein höheres Gehalt bekommt, bezahlt im Gegenzug Möbel und andere größere Anschaffungen. Die Miete teilen sie zwar noch zu gleichen Teilen auf, doch sobald sie in die größere und teurere Wohnung umziehen, wird Sophia weniger bezahlen als er.
Sich gegenseitig zu ergänzen und verschiedene Aufgaben zu übernehmen ist für Sophia aber nur solange gleichberechtigt, wenn die Partner*innen sich in unterschiedlichen Lebenslagen befinden. Müssen aber beide beispielsweise in Vollzeit arbeiten, sollten auch die Aufgaben zu gleichermaßen übernommen werden. Wichtig ist für sie immer, sich ein Modell auszusuchen, dass die jeweiligen aktuellen Bedürfnisse von beiden berücksichtigt.
"Wenn wir beide später in Vollzeit arbeiten, muss sich auch etwas an der Haushaltsverteilung ändern."
Linda Mitterweger ist Psychologin und Paartherapeutin. Die Aufgabenverteilung im Alltag bringt viele Paare in ihre Praxis. Dabei geht es zwar viel um den Haushalt, Kinder oder "mental load", oft geht es aber vielmehr darum, dass eine*r der Partner*innen sich nicht gewertschätzt oder gesehen fühlt.
Deshalb rät die Therapeutin dazu, sich als Paar früh genug Gedanken über die Aufgabenverteilung zu machen und sie so auszuhandeln, dass beide Partner*innen sich fair behandelt fühlen.
"Ich würde sagen gleichberechtigte Paare nutzen die Stärken des jeweiligen Partners, um die Aufgaben so zu verteilen, dass der Energieaufwand für beide ähnlich ist."
Dabei kann ganz unterschiedlich sein, was die jeweilige Person einbringt: Zeit, Geld, Ideen, oder zum Beispiel Freundschaftspflege etc. Jedes Paar sollte die Aufgabenverteilung individuell für sich gemeinsam aushandeln. Wichtig dabei: Sich davon freizumachen, wie andere Paare das für sich lösen.
So gelingt uns ein Gespräch:
- Einen passenden Rahmen aussuchen: Ort und Zeitpunkt sollten für beide passen. Wenn einer von beiden sich gestresst fühlt oder keine Zeit hat, dann sollten wir nach einem anderen, besseren Zeitpunkt suchen. Die Paartherapeutin rät außerdem: zu dem Rahmen eines solchen Gesprächs kann es auch gehören, sich vorher zu versichern, dass es zwar unangenehm werden könnte, dass es aber nichts an der Liebe zueinander ändert.
- Dem anderen zuhören und dessen Wahrnehmung glauben. Wahrnehmung ist immer subjektiv, das heißt es gibt kein richtig oder falsch. Beide Wahrnehmungen müssen respektiert werden – nur so können wir Kompromisse aushandeln.
- Angebote machen statt Erwartungen stellen: Oft bietet es sich an, eine Liste zu erstellen, welche Aufgaben überhaupt im gemeinsamen Leben anfallen. Um diese Aufgaben zu verteilen, sollten beide die Möglichkeit haben, sich für bestimmte Aufgaben anzubieten. Denn wir fühlen uns sicherer und haben ein größeres Verantwortungsgefühl für die Dinge, die wir uns selbst aussuchen.
- Wer sich vor so einem Gespräch scheut, kann auch eine externe Person dazu holen, beispielsweise eine*n Coach. Es ist auch möglich nur einzelne Stunden bei Paartherapeut*innen zu buchen, um so etwas auszuhandeln.
"Es geht nicht darum, seine Wahrnehmungen abzugleichen. Es ist völlig normal, dass wir unterschiedliche Wahrnehmungen haben."
Auch in Sachen Geld gilt übrigens: Es gibt nicht die eine Regel. Jedes Paar lebt in unterschiedlichen Verhältnissen und jede*r Partner*in bringt unterschiedliche Ressourcen in die Beziehung mit hinein. Das heißt, es kann sehr wohl gleichberechtigt sein, wenn eine*r der beiden Partner*innen mehr Miete zahlt als die oder der andere. Die Kosten können etwa prozentual nach dem Einkommen aufgeteilt werden oder auf andere kreative Weise, sagt die Expertin. Wichtig ist nur, dass sich am Ende beide Partner*innen fair behandelt fühlen.