BeziehungWas ein großer Altersunterschied mit uns macht
Paul ist 30, sein Freund 55 und damit 25 Jahre älter. Er erzählt, welche Rolle der Altersunterschied in der Beziehung spielt und wie er diese Differenz wahrnimmt. Was eine Beziehung in solchen Konstellationen so besonders macht, weiß die psychologische Psychotherapeutin Rosalie Weigand.
Paul war schon immer an älteren Männern interessiert und findet sie schon aus optischen Gründen viel ansprechender, sagt er. Sein 25 Jahre älterer Freund Michael stehe dagegen mehr auf jüngere Typen und habe schon vor ihnen Beziehungen mit jüngeren Männern gehabt.
Der Mensch ist wichtiger als das Alter
Das Paar hat sich über eine Dating-App kennengelernt. Für den älteren Partner sei der Altersunterschied eher ein Problem, glaubt Michael – alleine schon aus körperlichen Gründen. Paul hat früh versucht, Michael diese Bedenken zu nehmen: Für ihn spiele das Alter keine Rolle – viel wichtiger sei der Mensch sowie gemeinsame Vorstellungen und Ziele im Leben. Und genau das habe bei Michael von Anfang an gestimmt.
"Für mich spielt das Alter keine Rolle. Viel wichtiger ist der Mensch und dass der zu mir passt."
Was Paul an Michael schätzt, ist die offene Einstellung gegenüber den Interessen jüngerer Menschen, sagt er. Ihm gefalle aber auch sehr an ihm, dass er mit anderen Werten ausgestattet sei, die sich aus Pauls Sicht von der oft etwas oberflächlichen und konsumgetriebenen Instagram-Generation abhebe.
Michael könne super mit Geld umgehen, repariere Dinge lieber, anstatt sie neu zu kaufen und habe auch sonst in vielen Bereichen einen großen Erfahrungsschatz, von dem Paul profitiere.
In ihrer Beziehung sei der Altersunterschied kein Thema. Sie hätten sich super eingegroovt und würden einen ganz normalen Alltag leben. Einzig das Thema Gesundheit könnte längerfristig eine Herausforderung werden.
"Langfristig sehe ich gesundheitliche Themen. Da bin ich persönlich auch besorgt, was die Zukunft noch bringt. Aber es ist keine Frage, dass man sich dann weiterhin unterstützt."
Mit einem künstlichen Kniegelenk ist Michael hier schon vorbelastet. "Da bin ich persönlich auch besorgt, was die Zukunft noch bringt. Aber es ist keine Frage, dass man sich dann weiterhin unterstützt", sagt Paul.
Bei Unsicherheiten und Bedenken: Reden
Von außen würden die beiden teils sehr positives Feedback bekommen, berichtet Paul. Manchmal seien Leute aber auch verwundert und begegneten der Konstellation mit typischen Vorurteilen. Im Urlaub zum Beispiel: Dass Michael so was wie Pauls Sugardaddy sei und er die Reise finanziere.
Paul macht so was aber nicht viel aus, sagt er. Oft würden beide sogar darüber scherzen. Er findet es wichtig, sich von solchen Kommentaren auch nicht negativ beeinflussen zu lassen. Was zählt, ist mit der eigenen Beziehung glücklich zu sein – und mit dem Partner zu sprechen, falls Probleme auftreten oder man Unsicherheiten hat, sagt er.
Ein größerer Altersunterschied kann Vorteile haben
Rosalie Weigand ist psychologische Psychotherapeutin. Aus fachlicher Sicht zählen bis zu fünf Jahre Differenz nicht als Altersunterschied, erklärt sie. Ab zehn Jahren werde der Altersunterschied dann als "intergenerational" bezeichnet. Wie stark sich der Unterschied auf die Beziehung auswirke, hänge dabei sehr vom Alltag, den gemeinsamen Interessen und der Lebenssituation ab.
Beruf oder Ausbildung, Finanzen, Freizeitgestaltung, Interessen, aber auch Themen wie Familienplanung oder Kinderwunsch bestimmen die Lebenswelten von Menschen. Hier seien größere Asymmetrien herausfordernd und könnten zu Konflikten führen, so Rosalie Weigand. Auch die gesellschaftliche Wahrnehmung und damit einhergehende Vorurteile könnten belastend sein.
"Der Teil mit der größeren Lebenserfahrungen kann dadurch profitieren, dass er so eine frischere Perspektive auf bestimmte Themen gewinnt. Umgekehrt kann der jüngere Teil durch eine größere Gelassenheit profitieren."
Altersunterschiede können aber auch bereichernd sein und eine breitere Sichtweise auf das Leben ermöglichen. "Der Teil mit der größeren Lebenserfahrungen kann dadurch profitieren, dass er so eine frischere Perspektive auf bestimmte Themen gewinnt. Umgekehrt kann der jüngere Teil durch eine größere Gelassenheit profitieren", meint Rosalie Weigand. Wenn eine solche Beziehung funktioniert, sei sie häufig auch stabiler.
Bei Skepsis und Vorurteilen aus dem nahen Umfeld oder der Familie helfe eine offene und direkte Nachfrage. "Wenn man sich besser kennenlernt, spielt der Altersunterschied irgendwann keine Rolle mehr", so Rosalie Weigand. Zudem schütze ein guter Selbstwert vor Stigmatisierungen von Außen.
"Da spielen viel mehr gesellschaftliche Normen eine Rolle, als dass es tatsächlich relevant für eine Beziehung wäre."
Warum ist das Alter für viele Menschen überhaupt wichtig, wenn wir uns in jemanden verlieben? Rosalie Weigand vermutet, dass hier – abgesehen vom Thema Familienplanung – vor allem gesellschaftliche Normen eine Rolle spielen. Und zwar mehr, als dass es tatsächlich relevant für eine Beziehung wäre.