Gute LebensbedingungenMöwen werden in Berlin heimisch
Wenn wir an Möwen denken, dann denken wir ans Meer, an den Strand, eine starke Brise und das Gekreische, das immer dann besonders laut wird, wenn Möwen sich um Futter streiten. Berlin liegt mehr als 100 Kilometer vom Meer entfernt. Trotzdem: Möwen werden hier jetzt heimisch.
Momentan sind es etwas mehr als 200 Vögel, darunter 50 Brutpaare, die sich in der Hauptstadt niedergelassen haben. Und dabei reden wir nicht von den einfachen Lachmöwen, nein, die Möwen, die in Berlin leben, sind richtige Großmöwen, etwa Silbermöwen, die eine Flügelspannweite von bis zu 1,50 Meter haben können. Wildtierexperte Derk Ehlert sagt, die Möwen finden hier beste Bedingungen. Allein schon, was die Nahrung angeht.
"Die Nahrung liegt vor der Tür. Sie müssen sich nur fallen lassen, da sind sie am Alex, da können sie zwischen Döner und allen möglichen anderen Nahrungsmitteln wählen."
Experten gehen davon aus, dass die Zahl der Möwen in Berlin in den kommenden Jahren steigt. In zehn Jahren könnten es sogar schon 1000 Vögel sein, weil sie sich fortpflanzen und auch neue Möwen dazukommen. Vor rund 15 Jahren sind die ersten Möwen gesichtet worden, seit circa acht Jahren bleiben sie auch zum Brüten.
Berlin bietet gute Bedingungen für Möwen
Angezogen werden die Möwen von idealen Lebensbedingungen: Viel Futter in Form von Essensresten, zum Beispiel Döner, Pommes und Brot. Aber auch die Brutbedingungen sind in der Großstadt super. Die Silbermöwen mögen kleine Inseln mit einem Kies-Sand-Gemisch, wo sie ungestört sind und kein Feind hinkommt. Der Wildtierexperte des Landes Berlin, Derk Ehlert, sagt, dass Möwen ideale Brutbedingungen auf den Dächern von Hochhäusern finden. Und Wasser gebe es auch: in der Spree zum Beispiel.
"Auf großen Hochhäusern und begrünten Flachdächern sind Moose oder Kieselsteine. Da haben Möwen ihre Ruhe, da sind sie ungestört, da kommt auch kein Fuchs drauf."
Aber warum verlassen die Möwen das Meer zugunsten der Stadt? Derk Ehlert erklärt, dass sich die Bedingungen am Meer verändert haben. Es gebe dort weniger Nahrung für die Tiere. Ein weiterer Grund liege in den Veränderungen der Fischerei. Die großen Kutter verarbeiten heute ihren Fang weit draußen – direkt auf dem Meer. Für die Möwen wird es also schwierig, sich auf die Reste zu stürzen.
Großmöwen besiedeln mehrere deutsche Städte
Das Phänomen beschränkt sich übrigens nicht auf Berlin. Großmöwen gibt es inzwischen überall in Deutschland. Von der Nord- und Ostsee kommen Silber- und Heringsmöwen. Aus dem Südosten, also vom Schwarzen Meer und dem Kaspischen Meer kommt die Steppenmöwe und vom Mittelmeer die Weißkopfmöwe, sagt NABU-Vogelexperte Lars Lachmann. Und diese Möwen würden sich inzwischen sogar mit anderen Arten vermischen.
"Interessanterweise treffen die sich in Mitteleuropa dann im Binnenland und brüten gemeinsam in Kolonien, wo sie sich teilweise – wenn sie keinen Partner in ihrer eigenen Art finden – auch vermischen."
Am Hauptbahnhof in Frankfurt am Main gibt es zum Beispiel eine Kolonie auf einem Flachdach, wo vier Möwenarten zusammen brüten.