BerichterstattungWie der Klimawandel den Journalismus verändert
"Die Klimakrise ist kein Ereignis. Sie ist ein Prozess. Ein Prozess, der nichts unberührt lässt und uns den Rest unseres Lebens beschäftigen wird", sagt der Klimakommunikations-Experte Wolfgang Blau. Folglich brauche auch der Journalismus eine Anpassung und Neujustierung.
Was ist passiert? Was passiert in Kürze? Das, so Wolfgang Blau, sind Leitfragen für die journalistische Arbeit. Im Folgenden werde das, was gerade passiert, eingeordnet und gedeutet. Mit Albert Camus versteht er Journalisten als "Historiker des Augenblicks".
"Noch nie musste sich der Journalismus so weit aus dem Fenster lehnen wie heute, um klimapolitische Ziele und Investitionen bis ins Jahr 2040 und darüber hinaus kritisch begleiten und vermitteln zu können."
Die kurzen Intervalle funktionieren allerdings bei der Berichterstattung von Klimafolgen und der Anpassung daran nicht mehr, sagt Wolfgang Blau. Die Einordnung und Weitergabe von Informationen durch Journalist*innen muss versuchen, Jahrzehnte zu überblicken.
Langfristige Prognosen
Sie muss mit sehr langfristigen Prognosen arbeiten. Eindeutig gesicherte Fakten stehen ihr nicht zur Verfügung – vergleichbar, so Wolfgang Blau, ergeht es den Klimaforschenden, die bestmögliche Vorhersagen treffen müssen.
"Im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist der Journalismus nun gezwungen, sowohl die negativen Auswirkungen des Klimawandels selbst als auch die hoffentlich positiven Auswirkungen heutiger Maßnahmen zu diskutieren."
Im Laufe seiner journalistischen Karriere sind ihm in Bezug auf die Berichterstattung über menschliche Eingriffe ins Klima drei Fragen – oder Hürden – immer wieder begegnet, so Wolfgang Blau:
- Warum ist es so schwierig, der Klimakrise die journalistische Sichtbarkeit zu geben, die sie verdient und erfordert?
- Warum sagt das Publikum bei Befragungen regelmäßig, es wünsche sich mehr Klima- und Umweltberichterstattung, während es gleichzeitig schwierig ist, es für entsprechende Veröffentlichungen zu interessieren? Wie kann die Klimakrise journalistisch so bearbeitet werden, dass die Inhalte wirklich auf Interesse stoßen?
- Warum ist es bei einem Thema von derartiger Relevanz so schwierig, ausreichend qualifizierte Journalistinnen und Journalisten zu finden?
Klimakrise als Querschnittsthema verstehen, das alle Ressorts umfasst
In der journalistischen Praxis werde viel zu oft mit "Themen-Inseln" gearbeitet statt die Klimakrise als Querschnittsthema zu begreifen, das alle Ressorts umfasst: Gesellschaft und Politik ebenso wie Reise-, Mode- oder Computerjournalismus. Das Thema müsse raus aus dem Silo und erkannt werden als "systemischer Treiber von Transformation, der jedes Themenfeld des Journalismus erfasst".
"Es geht um vollständigeren Wirtschaftsjournalismus."
Blau verweist auf ausgezeichneten Klimajournalismus aus den Fachredaktionen ('climate desk'), zum Beispiel bei der Financial Times oder der New York Times. Dieser führe allerdings gleichzeitig dazu, dass die übrige Redaktion sich nicht für entsprechende Themen interessiere.
"Aktivismus und Journalismus sind beide wertvoll. Sie sind nur nicht dasselbe."
Wolfgang Blau ist Klimakommunikations-Experte, er war Verlagsmanager, hat für Die Welt, das ZDF, Zeit Online, den Guardian und Condé-Nast gearbeitet. 2022 hat er das Oxford Climate Journalism Network an der Oxford University mitgegründet. Das Ziel des Netzwerks, laut Homepage: "die Verbesserung von Qualität, Verständnis und Wirkung von Klima-Berichterstattung auf der ganzen Welt", quer über alle Vertriebs- und Publikationswege hinweg.
Er hat seinen Vortrag am 17. Oktober 2023 auf Einladung der Universität Hamburg in Kooperation mit der Rudolf Augstein Stiftung gehalten, als Eröffnungsvortrag der Ringvorlesung "Sagen, was ist", zu Ehren des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein. Der Vortrag heißt "Sagen, was ist – und was sein könnte. Journalismus im Klimawandel".