Richtig beschimpfenBeleidigen ohne zu diskriminieren
Wenn wir uns gegenseitig beschimpfen, nutzen wir häufig Worte, die ganze Gruppen beleidigen. Beleidigen geht aber auch, ohne andere zu diskriminieren, sagt Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch.
Klassische Situation: Wir fahren Auto oder Fahrrad, und jemand nimmt uns die Vorfahrt. Was machen wir da? Wir fangen wohl an zu schimpfen. Wie wir andere beschimpfen sagt aber auch etwas über uns selbst aus - und betrifft manchmal Unbeteiligte.
Problematisch ist es beispielsweise, wenn wir Worte wie "Spasti" oder "Penner" rufen. Damit diskriminieren wir ganze Gruppen von Menschen gleich mit - in diesem Fall Menschen mit geistiger Beeinträchtigung oder Wohnungslose oder sozial schwache Menschen, sagt Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch.
"Das Schimpfwort "Spasti ist diskriminierend. Denn damit sage ich ja im Prinzip: 'Menschen mit Behinderung sind etwas Schlechtes'."
Rassistische, sexistische und homophobe Beleidigungen gehen gar nicht
Beispiele dieser Art gebe es haufenweise, so Anatol Stefanowitsch. Diskriminierendes Beschimpfen funktioniere mit jeder diskriminierten Gruppe. Männer könne man unter anderem sehr gut beleidigen, indem man sie als Frauen bezeichnet, wie beispielsweise: "Die wirfst wie ein Mädchen!" Oder: "Du parkst ein wie eine Frau!"
Homosexuelle Männer würden gerne als Beleidigung herangezogen, indem gesagt werde: "Du Schwuchtel!" Oder: "Der Film war voll schwul." Obwohl man damit ja eigentlich nur meint, dass einem der Film nicht gefallen hat. So beleidigen wir unnötigerweise Gruppen, die ohnehin tagtäglich beleidigt werden, obwohl sie gar nicht direkt gemeint seien, meint der Sprachwissenschaftler.
Am schlimmsten sind aus Sicht des Linguisten Beleidigungen, die rassistisch, sexistisch oder homophob sind.
Tiernamen sind zum Beleidigen geeignet
Wie geht es also, dieses korrekte Schimpfen und Fluchen, gibt es das überhaupt?
Anatol Stefanowitsch sagt: Wir dürfen alles sagen, was wir wollen. Wir müssen uns nur in die Verantwortung dafür nehmen lassen. Wenn wir aber jemanden beleidigen wollen, ohne eine dritte, unbetroffene Gruppe mit hineinzuziehen, biete sich "Arschloch" an, sagt er. "Einfach, weil es keine Gruppe von Arschlöchern gibt, die sich beleidigt fühlen könnte."
Tiernamen findet der Sprachwissenschaftler auch unproblematisch. "Du Sau" oder "Du Vogel" würde gehen. Man könne zwar einwenden, dass damit eine gewisse Verachtung gegenüber Tieren ausgedrückt wird, so Anatol Stefanowitsch. Andererseits würden sich die Tiere wohl kaum an den Schimpfwörtern stören, weil sie geistig nicht in der Lage seien, zu merken, dass sie verbal beleidigt worden sind.
Noch ein Beispiel: Mit "Vollpfosten" beleidigen wir jemanden aufgrund fehlender Intelligenz. Das sei okay, meint Anatol Stefanowitsch, weil es keine Gruppe von Vollpfosten gebe.
Insgesamt lässt sich sagen, dass wir uns mehr Gedanken darüber machen sollten, was wir sagen, wenn wir andere beleidigen. Manchmal brauche es ein wenig Allgemeinbildung oder einfach Sensibilität. "Idiot" sei so ein Beispiel, sagt Anatol Stefanowitsch. Das Wort wurde nämlich lange Zeit in der medizinischen Fachliteratur benutzt, um Menschen mit bestimmten kognitiven Störungen zu bezeichnen.
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