BelarusDemonstrantin: "Verlassen wir das Haus, wissen wir nicht, ob wir wieder kommen"
Die EU hat Sanktionen gegen Belarus verhängt. Das bestärkt uns, berichtet Demonstrantin Katja. Sie gehen weiter auf die Straße und setzen sich für ein freies Belarus ein – auch wenn sie Angst haben, verhaftet zu werden.
Nachdem die EU das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Belarus vom 9. August nicht anerkannt hat, haben die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten Sanktionen gegen die belarussische Regierung lange angekündigt. Dann passierte nichts.
Über einen Monat später hieß es in der Nacht zum 2. Oktober: Gegen 40 Mitarbeitende der Regierung in Belarus sollen Sanktionen verhängt werden – so schnell wie möglich. Ihnen wird die Beteiligung an Wahlfälschung vorgeworfen oder das gewaltsame Vorgehen gegen die friedlichen Proteste im Land. Zypern hat die Entscheidung der EU bis zuletzt mit seinem Vetorecht blockiert.
Keine Sanktionen gegen Lukaschenko
Staatschef Alexander Lukaschenko steht übrigens nicht auf der Liste. Die Begründung: Direkte Sanktionen gegen Lukaschenko würden möglicherweise die Gespräche erschweren, um den Konflikt zu beenden. Die EU möchte sich die Möglichkeit offen lassen, ihren Kurs in Zukunft verschärfen zu können, so heißt es.
EU-Sanktionen werden als Zeichen der Solidarität empfunden
Den Demonstrierenden in Belarus gibt dieser Schritt der EU jetzt vor allem Kraft weiterzumachen, berichtet Katja aus Minsk. Sie ist Belarussin, lebt in der Hauptstadt des Landes und ist seit Beginn der Proteste auf der Straße mit dabei: samstags bei den Frauenprotesten und sonntags auf den Großdemonstrationen.
Ihren Nachnamen nennen wir nicht, um sie nicht zu gefährden. Denn die belarussische Regierung unter Lukaschenko geht noch immer hart gegen die Demonstrierenden vor.
Das haben vergangenen Samstag (26.09.2020) auch zwei Freundinnen von Katja erlebt, berichtet die Demonstrantin. Während die Frauen an den friedlichen Frauenprotesten teilgenommen hätten, habe die Polizei sie festgenommen und ins Gefängnis gebracht. Am Montag waren sie wieder frei und wurden zu einer Geldstrafe verurteilt.
Angst vor Verhaftungen
Die Angst begleitet die Menschen auf den Straßen von Belarus weiterhin, erzählt Katja. Verlässt sie das Haus, um an den Demonstrationen teilzunehmen, wisse sie nicht, ob sie später wieder zurückkehre. Ihr und den anderen Protestteilnehmenden sei aber klar: Beenden sie jetzt die Protestbewegung, werden sie alle – früher oder später – ins Gefängnis kommen.
"Die Frage jetzt ist: Leben wir so weiter oder stürzen wir dieses Regime?"
"Wir haben inzwischen verstanden, dass es ein langer Prozess wird: Lukaschenko sitzt fest in seinem Sessel", sagt Katja. Haben die Demonstrierenden noch vor wenigen Wochen auf ihre eigene Stärke gesetzt und die Hilfe von anderen Staaten nicht erwartet, würde sie die Unterstützung der EU jetzt darin bestärken, weiter für faire Wahlen zu kämpfen.
Und das nach wie vor friedlich: Die Proteste zu radikalisieren ist für die Demonstrierenden keine Option, sagt Katja. Die Menschen sollen nicht sterben.
"Die Sanktionen der EU können das Regime nicht zerstören. Für uns ist das trotzdem ein Zeichen der Solidarität und Unterstützung seitens der europäischen Länder."
Ein freies, unabhängiges Belarus, das wünscht sich Katja für die Zukunft ihres Landes. Ein Land, in dem Menschen frei sind in ihrem Denken und ihrer Meinungsäußerung.
Die Belarussinnen und Belarussen sind bereit für Veränderung und politische Mitsprache, erzählt die Demonstrantin, so wie es sie in Deutschland und anderen EU-Staaten auch gibt. Von anderen Staaten wie Deutschland habe gerade die junge Generation viel gelernt, jetzt seien sie dran, ein besseres Belarus zu erschaffen. Mit einem Präsidenten, der jede gesellschaftliche Initiative als Angriff seiner Macht ansieht, funktioniert das aber nicht, sagt Katja. Das sei das Schlimmste.
"Ich wünsche mir ein Land, wo Recht und Gesetz herrscht, wo die Menschen nicht nur frei durch die Straßen laufen können, ohne verhaftet zu werden, sondern, wo sie auch frei denken können und die Versammlungsfreiheit ein Grundrecht ist."