Neobiota: Gebietsfremde Arten in DeutschlandWas neue Arten für Ökosysteme bedeuten
Halsbandsittich, Waschbär, Wollhandkrabbe, Japanischer Staudenknöterich, asiatischer Laubholzbockkäfer – es gibt in Deutschland eine Menge Tiere und Pflanzen, die hier nicht heimisch sind. Um die 800 Arten sollen es sein. Im Vortrag erklärt der Ökologe Hanno Seebens, wie diese Arten auf menschlichen Handels- und Reiserouten zu uns kommen und wie sie das Ökosystem beeinflussen.
Gebietsfremde Arten werden von manchen als "invasive Arten" bezeichnet. Der Ökologe Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (SBiK-F) findet diese Bezeichung zu martialisch. Ganz richtig ist sie auch nicht. Denn die gebietsfremden Arten – sogenannte Neobiota – bewegen sich nicht von selbst von A nach B, sondern nutzen die Handels- und Reisewege des Menschen. Neu ist dieser Prozess nicht, aber er hat sich in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten beschleunigt.
"Hier mal eine Definition: Neobiota sind Arten in einer Region, deren Präsenz auf bewusste oder unbewusste Aktivität des Menschen zurückgeht."
Esskastanie, Kirsche und Fasan – das sind aber einheimische Arten, oder? Nö. Die sind im Gepäck der Römer zu uns gekommen. Was als einheimisch und was als gebietsfremd gilt, ist also immer eine Frage der Definition, so der Ökologe. Weltweit gelten mehr als 13.000 Pflanzenarten als Neophyten.
"Die Katze, also unsere Hauskatze, finden wir mittlerweile auf fast allen Inseln der Welt. Egal, ob diese Inseln bewohnt sind oder unbewohnt."
Für seine Forschung hat sich Seebens intensiv mit den Routen von Handelsschiffen und Frachtern befasst. Denn viele Arten reisen darin mit. Die Schiffe nehmen große Mengen von Ballastwasser auf, um für Stabilität zu sorgen.
Gebietsfremde Arten reisen auf menschlichen Routen mit
Damit reisen sie tausende von Kilometern und lassen das Wasser dann in einem anderen Teil der Welt ab – und damit jede Menge gebietsfremder Arten. Viele von denen können in den neuen Verhältnissen (Temperatur, Salzgehalt) nicht überleben. Manche aber schon. Ein internationales Abkommen soll diesen Wasser- und Arten-Austausch beenden.
"Ohne Ausbreitung ist es gar nicht möglich, eine Art zu erhalten oder Biodiversität zu erhalten. Arten müssen neue Gebiete erobern können, wenn sich zum Beispiel Umweltbedingungen ändern."
In Neuseeland zum Beispiel, aber auch bei uns wird teilweise rigide gegen Neobiota vorgegangen. Da neuseeländische flugunfähige Vogelarten keine Räuber in ihrer natürlichen Umgebung kennen, können eingewanderte Arten diese Vögel einfach "pflücken", sagt Seebens. Bis 2050 sollen diese Säugetiere (Possums, Ratten - aber nicht die Hauskatzen) ausgerottet sein. Und wenn in Deutschland Bäume vom asiatischen Laubholzbockkäfer befallen sind, werden die befallenen Bäume und auch gesunde drumherum sofort gefällt, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.
Hanno Seebens hat an der Universität Essen Ökologie studiert und an der Universität Konstanz promoviert. Seit 2016 arbeitet er für das Biodiversität- und Klima-Forschungszentrum der Senckenberg Gesellschaft für Naturkunde. Der Umweltwissenschaftler beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Neobiota und Klimawandel. Seinen Vortrag hat er am 7. November 2018 bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung anlässlich der Vortragsreihe "Bedrohte Vielfalt - Der Artenschwund und seine Folgen" gehalten.
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