Bahnradfahrerin Kristina Vogel"Die ersten drei Wochen nach dem Unfall waren schwieriger als die ganzen Olympiasiege"
Kristina Vogel ist zweifache Olympiasiegerin und 17-fache Weltmeisterin im Bahnradrennfahren. 2018 hat sie einen Unfall beim Training. Sie kann nicht mehr laufen und ist querschnittsgelähmt. Trotzdem hat sie es geschafft, ihre neue Situation anzunehmen.
In der vierten Klasse wirft Kristina Vogel eine Münze, die ihr Leben verändert. Sie muss sich für eine Sportart entscheiden, auf die sie sich spezialisiert. Zur Wahl stehen Tanzen und Radfahren. Beides zusammen funktioniert zeitlich nicht mehr. Die Münze entscheidet für Kristina, dass sie weiter Radsport macht. Über das Straßenradfahren kommt Kristina Vogel zufällig mit 16 Jahren zum Bahnradfahren.
"Das Gefühl zu fahren, ist wie Achterbahnfahren. Du musst so viel nachdenken wie beim Schachspielen."
Inzwischen ist Kristina Vogel die erfolgreichste Bahnradrennfahrerin aller Zeiten. Sie liebt den Rausch, den das Fahren bei ihr auslöst. Zum einen sei es wie Achterbahn fahren, mit 80 Kilometerstunden durch Kurven zu fahren. Zum anderen ist es pures Taktieren, wie Schachspielen, in einem Wettbewerb eine Gegnerin zu schlagen.
Lebensverändernder Unfall beim Training
Am 26. Juni 2018 trainiert Kristina Vogel mit einer Kollegin für die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio. Auf der Bahn steht ein Mann. Das ist zum einen verboten und passiert zum anderen auch sonst nicht. Ohne das sie ihn vorher sehen kann, fährt Kristina mit 60 Kilometerstunden in den Mann hinein. Sie liegt auf dem Boden und bleibt liegen. Der Knall bei dem Unfall hätte allen anwesenden Person klargemacht, dass etwas Ernsthaftes passiert sein musste, erzählt Kristina.
"Ich dachte, ich hab gar nicht gemerkt, dass jemand an meinem Schuh war. Da war mir klar, dass ich nicht mehr laufen kann."
Sie erklärt, dass Leistungssportler den eigenen Körper besonders gut kennen. Kristina ist deswegen relativ schnell klar, dass sie nicht mehr laufen kann. Bestätigt wird ihr Gefühl von einem Menschen, der ihr die Schuhe auszieht, ohne dass sie etwas spürt. Zunächst geht es aber für Kristina nicht um das Laufen, sondern ums Überleben. Sie liegt zwei Tage im künstlichen Koma.
Rehabilitation
Im Krankenhaus muss Kristina Vogel drei lebensgefährliche Operationen überstehen. Auf der Intensivstation kämpft sie außerdem gegen eine schwere Lungenentzündung. Sie sagt, diese Zeit war so schwer wie der Gewinn aller olympischen Medaillen zusammen. An die Öffentlichkeit gelangt von ihrem Kampf zunächst nichts – es gibt eine strikte Nachrichtensperre.
"Die ersten drei Wochen waren schwieriger als die ganzen Olympiasiege."
Nach drei Wochen wird sie von der Intensivstation auf die normale Station verlegt und kann sich immer noch kaum bewegen. Es folgt intensives Training und nach knapp acht Wochen fragt sie sich das erste Mal: Was passiert eigentlich, wenn ich nicht mehr im Krankenhaus bin?
Neuausrichtung im Rollstuhl
Für viele Menschen sei sie ein Vorbild. Immer wieder werde sie gefragt, ob sie in ein Loch gefallen sei nach der Diagnose. Das sei bei ihr nicht der Fall gewesen. Für sie ist klar, dass es weitergeht – aber eben anders.
"Ich versteh, dass man sich das nicht vorstellen kann, wie das Leben im Rollstuhl ist."
Treppensteigen ist jetzt eine Herausforderung oder auch Autofahren. Aber das sei in Ordnung, meint sie. Vor allem müsse sie damit klarkommen, nicht mehr von Trainingssaison zu Trainingssaison zu leben, sondern auch einfach mal ohne Plan. Das würde ihr aber auch guttun, dass der Druck raus sei und sie einfach viel ausprobieren könne.
"Ich habe dann so geguckt, was dann so für mich kommt und reingeschnuppert und das mache ich auch immer noch so."
Um herauszufinden, wie ihr Leben weitergeht, entscheidet sie sich einfach mal verschiedene Sachen auszuprobieren. Sie bereist die Welt, schreibt ein Buch, um Menschen mit ihren Schicksalen Mut zu machen und sie bleibt dem Radsport als Kommentatorin treu.
Heute, sagt sie, ist sie froh Zuschauer*innen ihre Leidenschaft für das Radrennfahren über den Fernseher näher zu bringen. Kristina Vogel erklärt, manchmal ist sie sogar froh um ihren Unfall. Dadurch hat sie gelernt, dass man nicht perfekt sein muss und fallen kann, aber daraus lernt.