Autoren Moritz Riesewieck und Hans BlockUnsterblichkeit dank KI: "Vieles ist noch völlig ungeklärt"
Ewiges Leben – für einige Menschen ist das aus den unterschiedlichsten Gründen eine reizvolle Vorstellung. Deshalb entsteht gerade eine riesige Branche, die verspricht, Menschen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) digital unsterblich zu machen. Die Dokumentarfilmer und Autoren Moritz Riesewieck und Hans Block haben Menschen und Unternehmer getroffen und darüber ein Buch geschrieben.
Eine Frau unterhält sich mit ihrem Mann am Küchentisch. Sie lachen, reden über alte Zeiten, und sie fragt ihn, ob er sie liebt. Klingt alles nach einem ganz normalen Sonntagmorgen – doch das ist es nicht. Denn der Mann ist vor einigen Jahren schon verstorben.
Die Frau redet eigentlich gar nicht mit ihm, sondern mit einem digitalen Wiedergänger ihres Mannes in ihrem Smartphone – erschaffen von einer KI. Eine gruselige und faszinierende Vorstellung zugleich.
Digitale Unsterblichkeit als Markt
Diese und viele andere Geschichten haben die Dokumentarfilmer, Theaterregisseure und Buchautoren Moritz Riesewieck und Hans Block während der Recherche für ihr Buch "Die digitale Seele: Unsterblich werden im Zeitalter Künstlicher Intelligenz" erlebt.
Über zwei Jahre lang haben sie Menschen getroffen, die ein Interesse daran haben, sich selbst oder Angehörige unsterblich zu machen. Gleichzeitig haben sie auch die Branche unter die Lupe genommen, die den Erfolg von digitaler Unsterblichkeit längst erkannt hat und dazu an den verschiedensten Technologien arbeitet.
"Firmen arbeiten tatsächlich daran, Menschen unsterblich zu machen."
Mit diesen Technologien würden aber nicht nur große Versprechen in die Welt gesetzt, sondern auch soziale, rechtliche, ethische und moralische Probleme geschaffen, sagt Hans Block.
Das Problem mit der Endlichkeit
Dass das Thema in unserem Jahrhundert überhaupt so boomt, liegt laut Moritz Riesewiecks auch daran, dass sich immer mehr Menschen im Westen von der Religion abwenden. Damit würde auch das Versprechen verloren gehen, an das sich religiöse Menschen jahrhundertelang festgehalten hatten: nämlich, dass es nach dem Tod weitergeht.
"Menschen wenden sich reihenweise von Religion ab. Uud damit schwindet auch diese Heilserzählung, die die Religionen sonst immer geboten haben – das heißt der Trost, dass nach dem Tod noch was kommt."
Und genau da setzten die Unternehmen an: Künstliche Intelligenz als eine Art Gottesersatz, sagt Moritz Riesewieck. Und es funktioniere. Viele Menschen hätten wirklich das Gefühl, ihre Liebsten in den digitalen Wiedergängerinnnen und Wiedergängern zu erkennen.
Aus Daten wird eine künstliche Persönlichkeit
Diese Wiedergängerinnen und Wiedergänger entstehen aus den Daten, die die Personen zu ihren Lebzeiten angesammelt haben und die über sie angesammelt wurden. Vor allem die jüngere Generation wachse ja schon von Geburt an mit Daten wie Videos oder Fotos auf, die ihre Eltern von ihnen machen würden, erklärt Hans Block.
Zum Beispiel können Sprachnachrichten aus Messenger-Diensten dabei helfen, eine Person digital zu rekonstruieren. Allein schon wenige Stimmproben reichten aus, um nicht nur die Stimme an sich, sondern auch den spezifischen Satzbau einer Person, ihren Humor oder ihre Art, Dinge ironisch auszudrücken, nachstellen zu können.
"Mit wenigen Stimmproben - zum Beispiel aus eingesprochenen Whatsapp-Nachrichten - kann man schon die Stimme synthetisieren. Deine Stimme kann exakt nachgebildet werden, die dann Dinge sagt, die du nie gesagt hast."
Das Gleiche könne man dann mit der Analyse von Handyvideos erreichen. Und so könnten Angehörige am Schluss der Analyse mit einer Person skypen, die sie nicht mehr von der bereits verstorbenen Person unterscheiden können.
Ethik, Recht und Moral: Viele Fragen müssen geklärt werden
Diese neue Technologie stellt unsere Gesellschaft allerdings auch vor große Probleme: Was ist beispielsweise mit dem Recht auf Vergessen oder Vergessenwerden, fragt Moritz Riesewieck. Oder wer hat überhaupt das Recht, digitale Wiedergängerinnen und Wiedergänger zu erschaffen? Viele Fragen seien noch ungeklärt und sollten so schnell wie möglich in Gesellschaft und Politik diskutiert werden, sagt Hans Block.
"Viele Fragen sind noch völlig ungeklärt. Wir glauben, dass es wichtig ist, die jetzt gesellschaftlich zu besprechen, bevor die Technologie Tatsachen schafft."
Denn während im analogen Leben klar geregelt ist, was nach dem Tod einer Person passiert, gibt es für die digitale Welt kaum Antworten auf viele wichtige Fragen. Das zeigen nicht zuletzt Ergebnisse einer Studie der Oxford University, wonach in bereits 50 Jahren mehr Accounts von toten Menschen als von lebendigen auf Facebook angemeldet sein werden.
Im Interview mit Sebastian Sonntag erzählen die beiden Autoren außerdem noch, welche Menschen sie getroffen haben und berichten über die unterschiedlichsten Beweggründe, aus denen Menschen digital unsterblich werden wollen, und was es mit den Hinterbliebenen machen kann, wenn sie nie wirklich mit dem Tod von Angehörigen abschließen können. Mit Sebastian Sonntag diskutieren sie über die Frage, ob es überhaupt noch Fortschritt geben kann, wenn man Altes ewig erhält. Um das ganze Interview zu hören, klickt oben auf den Play-Button!