UnterversorgungAufnahmestopp bei der Hamburger Tafel
Bei Tafeln darf eigentlich jede und jeder kostenlos essen und Lebensmittel mitnehmen. Seit einiger Zeit klappt das aber nicht mehr überall. Ein Großteil der Hamburger Tafeln hat nun einen Aufnahmestopp verhängt, weil es zu viele Bedürftige und zu wenig Spenden gibt.
Üblicherweise registriert man sich bei Tafeln und kann dann als Kund*in kostenlos gerettete Lebensmittel abholen. Nachdem es seit April Aufnahmestopps für Interessierte wegen hoher Nachfrage bei den Tafeln in Leipzig, Essen und Kaiserslautern gab, ziehen nun auch die Hamburger Tafeln nach.
Tafeln geben ausschließlich das Essen heraus, das ihnen gespendet wird. Julia Bauer, Vorstandsmitglied der Hamburger Tafel, sagt, dass die Spenden zurückgegangen sind. Dementsprechend gebe es auch weniger zu verteilen.
"Das Volumen der Spenden geht runter. Wir haben ja nur das, was wir einsammeln als Spenden. Und wenn das weniger wird, dann können wir auch weniger rausgeben."
Das ist die eine Seite des Problems. Auch in Hamburg wird gleichzeitig der Andrang immer größer. Julia Bauer berichtet, dass die Zahl der Tafelkund*innen seit anderthalb Jahren steigt. Gründe hierfür sind Altersarmut und außerdem seien viele Menschen im Niedriglohnsegment beschäftigt. "Corona hat das Ganze natürlich noch befeuert. Und durch den russischen Kriegsangriff in der Ukraine sind natürlich noch viele Kriegsflüchtlinge dazugekommen", sagt sie.
Inflation – steigende Preise im Supermarkt
Gleichzeitig steigt die Inflation – die Preise im Supermarkt steigen weiter an. Das ist für viele Menschen ein Problem.
"Menschen, die vorher schon den Monat nur knapp rumbekommen haben, haben bei den momentanen Preisen am Ende des Monats nichts mehr im Kühlschrank."
Dass dies nicht nur Menschen in Großstädten wie Hamburg oder Essen betrifft, liegt auf der Hand. Moritz Wiethaup, Vorsitzender der Tafel Göttingen, berichtet, dass sich die Zahl der Neuanmeldungen seit Mitte März bei ihm mehr als verdoppelt hat. Damit sich Neukund*innen auch weiterhin bei ihm registrieren können, benötigt er Spenden. Das allein reiche aber nicht mehr aus.
"Wir tun als Tafel das, was wir immer schon gemacht haben – unter veränderten, erschwerten Bedingungen. Wir sammeln Lebensmittelspenden ein, wir sammeln aktuell Finanzspenden ein, um damit Lebensmittel zuzukaufen."
Zum ersten Mal musste die Tafel Göttingen – in Abweichung von den Grundsätzen – beim Großhandel Waren hinzukaufen, damit niemand mit ganz leeren Händen weggeschickt werden muss.
Dass viele seiner Tafelkolleg*innen in letzter Zeit Kund*innen mit leeren Händen nach Hause gehen mussten, macht Moritz Wiethaup sauer. "Wo sollen die Leute hingehen, wenn sie selbst bei der Tafel nichts mehr zu essen bekommen?", fragt er.
Für ihn ist die Entwicklung in Deutschland besorgniserregend. Dass Tafeln Aufgaben übernehmen müssen, für die eigentlich der Staat verantwortlich ist, findet er nicht gut. Er äußert den Verdacht, dass es in unserem System eingepreist ist, dass sich also staatliche Stellen einfach darauf verlassen, dass Tafeln armen Menschen weiterhelfen.
"Wenn ich sehe, dass Kartoffeln, Salat, eine Paprika acht Euro das Kilo kostet, geht das nicht. Die Preise müssen runter. Da müssen sich Politikerinnen und Politiker was einfallen lassen."
Die Hoffnung von Moritz Wiethaup – angesichts der schlechten Lage der Tafeln in Deutschland – ist, dass es andere Wege oder Organisationen gibt, die den Aufnahmestopp in Hamburg kompensieren können.
Appell an Gesellschaft und Politik
Tafeln sind in Deutschland überwiegend ehrenamtliche Organisationen, in denen sich Freiwillige engagieren. Moritz Wiethaup appelliert daher an die Gesellschaft und an die Politik.
"Wenn wir unsere Aufgabe nicht mehr in der Art und Weise tun können, wie man sich daran gewöhnt hat, dass wir es tun – dann sind andere gefragt", sagt er. Dann sei es eine gesellschaftliche und politische Frage, Menschen in Not zu unterstützen.
Wie das gelingen könnte, weiß er nicht. Julia Bauer von der Tafel Hamburg richtet sich an die Politik: "Die Preise müssen runter. Da müssen sich Politikerinnen und Politiker was einfallen lassen."