WirtschaftsethikAuch Kapitalismus ist halal und koscher
Können wir in Deutschland von muslimischen und jüdischen Traditionen lernen, was den Umgang mit Kapitalismus betrifft? Vertreter dieser beiden Religionen argumentieren, ihre Vorstellung von einer ethischen Wirtschaftsordnung sei besonders gelungen. Vorträge dazu von Nathan Lee Kaplan und Idris Nassery.
Kapitalismus geht auf das lateinische "capitalis" zurück, was soviel heißt, wie "den Kopf betreffend". Später wandelt sich die Bedeutung: Nun sind die Köpfe einer Herde gemeint, die sich auf natürliche Weise vermehrt. Dieses Bild spiegelt sich noch heute im Wort "Kapitalismus" wieder. Doch wie soll der idealerweise aussehen, nachdem ihn Marx und Engels als ausbeuterisch verdammt haben? Ludwig Erhard, der erste Nachkriegs-Wirtschaftsminister der Bundesrepublik, garniert ihn deshalb mit der Sozialen Marktwirtschaft, die bis heute ein Ungleichgewicht in der Bevölkerung auszugleichen versucht.
"Wir sehen eine klare Legitimation, unternehmerisch einen Profit zu machen und gleichzeitig auch klaren Verbraucherschutz, um nicht übervorteilt zu werden."
Der Wirtschaftsethiker Nathan Lee Kaplan zeigt eine Grundlage im Judentum auf, das dazu ermutigt, Wohlstand zu schaffen. Der Reichtum dürfe jedoch nicht dazu dienen, bei anderen Neid zu schüren oder in Arroganz zu verfallen. Der richtige Umgang mit Wohlstand sei also immer ein Weg der goldenen Mitte.
Weg der goldenen Mitte
Der islamische Theologe Idris Nassery geht in seinem Vortrag zurück bis in die Zeit, als Mohammed noch kein Prophet war. Bereits im 7. Jahrhundert sei auf der arabischen Halbinsel Handel betrieben worden. Mohammed sei zum reichsten Mann zwischen Mekka und Medina aufgestiegen, nachdem er eine sechzehn Jahre ältere Geschäftsfrau geheiratet habe.
"Die Grundlage des islamischen Finanzwesens ist nicht statisch."
Aber auch im Islam gelte es, nicht zu übertreiben. So habe Mohammed sowohl eine Moschee als auch einen Markt gegründet und stets von seinem Reichtum abgegeben. Weil die islamische Finanzwelt bis heute nicht in Stein gemeißelt ist, werden die Regeln dafür immer wieder neu geschrieben. Ein Beispiel dafür ist die Idee, mit dem sogenannten "Islamic Banking" auf europäischem Boden Geschäfte zu machen.
Nathan Lee Kaplan hat über talmudische Wirtschaftsethik promoviert und sprach innerhalb der Ringvorlesung "Ethische Fragen im Judentum und Islam" am 8. Dezember 2016 am Jüdischen Museum in Berlin – ebenso wie Idris Nassery, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Islamische Theologie der Universität Paderborn.