Atlantis der NordseeForschende belegen Legende über versunkene Siedlung Rungholt
Die Siedlung Rungholt ist quasi das Atlantis der Nordsee. Vor Hunderten von Jahren sollen dort Menschen gelebt haben, bis die Stadt im Meer versank. Lange war unklar, ob Rungholt nur ein Mythos ist – bis jetzt.
Reich und prächtig soll sie gewesen sein, die Siedlung Rungholt, bis sie vor Hunderten von Jahren in der Nordsee versunken ist. Laut der Legende soll Gott eine verheerende Sturmflut als Strafe für sündiges Verhalten geschickt haben. Seitdem lebte die Siedlung vor allem in alten Texten aus dem Mittelalter weiter.
"Ganz lange war diese Siedlung wirklich nur eine Legende. Sie existierte nur auf dem Papier."
Vor der Küste Schleswig-Holsteins
Doch Rungholt gab es tatsächlich: Die ersten Anzeichen dafür wurden vor rund hundert Jahren im Wattenmeer vor der Küste Schleswig-Holsteins entdeckt. Ein Forschungsteam konnte jetzt zum ersten Mal nachweisen, wo sich die Siedlung – die höchstwahrscheinlich Rungholt war – genau befand. Sie lag rund um die Hallig Südfall.
Eine Hallig ist eine kleine Insel vor der Küste, die bei einer Sturmflut überschwemmt werden kann. Die heutige Hallig Südfall liegt zwischen der nordfriesischen Insel Pellworm und der Küste, etwa auf der Höhe von Husum.
Siedlungsspuren belegt
Die Forschenden, die unter anderem von der Uni Mainz und Kiel sind, vermuten, dass die Siedlung bei einer großen Sturmflut im Jahr 1362 unterging. Wo heute das Wattenmeer ist, gab es damals, im späten Mittelalter, viel Moor- und Marschland, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Anne Tepper. Bis eben eine Flut Teile des Gebiets überschwommen und weggerissen hat, so steht es in den mittelalterlichen Chroniken, in denen die Forschenden einen Wahrheitsgehalt ausmachen konnten.
Alte Siedlungsspuren gefunden
Sie haben in dem Gebiet nach Siedlungsspuren gesucht und dabei unter anderem die Fundamente einer relativ großen Kirche gefunden. Sie stand auf einer Fläche von rund 600 Quadratmetern. Die Kirche war vermutlich ähnlich groß wie heutige Kirchen in Nordfriesland, die in Orten dort die Hauptkirchen sind. Die Forschenden gehen wegen der Größe der Kirche davon aus, dass die Siedlung das Zentrum eines größeren Einzugsgebiets mit vielen Menschen war, also ein Handelsplatz.
"Ob es sich wirklich um das sagenumwobene Rungholt handelt, wird man nie zu 100 Prozent klären können, denn es wird wohl nie ein Ortsschild auftauchen, wo der Name draufsteht."
Forschen nur bei Ebbe
Rungholt war vermutlich keine besonders große Stadt, aber eben eine bedeutende Siedlung. Dafür spricht auch eine zwei Kilometer lange Kette von Warften, die die Forschenden ebenfalls entdeckt haben. Warften sind künstlich aufgeschüttete Hügel, auf denen wohl die Häuser der Siedlung standen. Außerdem gab es zwei weitere kleine Kirchen, einen Deich, Entwässerungssysteme und einen Hafen.
Jetzt möchten die Forschenden herausfinden, wie viele Menschen in der Siedlung gewohnt haben, und wie groß Rungholt tatsächlich war. Was die Ausgrabungen erschwert: Sie können nur bei Ebbe stattfinden. Wenn die Flut kommt, muss die Forschung pausieren. Und die kommt im Wattenmeer zwei Mal am Tag.