Sasa ist von Armut betroffen"Man muss bei jedem Cent überlegen, für was man ihn ausgibt"
Sasa und ihre Familie haben ihre Ausgaben schon jetzt sehr gut im Blick– weil sie es müssen. Ihr Geld reicht gerade mal so zum Leben. Die steigenden Preise für Lebensmittel, Strom und Heizen machen es ihnen nicht einfacher.
Jeden Sonntag blättert Sasa Zatata durch die Supermarktprospekte auf der Suche nach Angeboten. Sie rechnet Cent für Cent genau aus, welche Lebensmittel sie in der kommenden Woche einkaufen kann. Dabei geht es oft darum, was sie und ihre Familie sich leisten können, weniger darum, auf welches Essen sie gerade Lust haben.
Budget planen als Vollzeitjob
Sasa bezieht Erwerbsminderungsrente. Sie hat Morbus Bechterew, eine schwere Autoimmunerkrankung, und darf deshalb nicht arbeiten – obwohl sie das gerne würde. Die 36-Jährige ist gelernte Industriekauffrau und war zuletzt Geschäftsführerin. Sie wohnt zusammen mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in Berlin. Ihr Mann pflegt sie und macht zurzeit einen Integrationskurs.
Das Geld ist bei ihnen momentan sehr knapp, sagt sie. Allgemein sei es eine Dauerbeschäftigung zu planen, wie viel Geld sie zur Verfügung haben und welche Kosten sie damit abdecken müssen. Aktuell ist es wegen der steigenden Preise für Lebensmittel, Heizen und Strom besonders schlimm.
"Ich suche permanent nach Angeboten für Lebensmittel, recherchiere und schaue, wo ich am günstigsten das meiste und beste für uns bekomme."
Strom sparen
Bei ihr zu Hause wird daher nichts verschwendet, sagt Sasa. Beim Wasserhahn achtet sie zum Beispiel darauf, dass er immer auf kaltgestellt ist, wenn sie ihn zudreht. Das soll verhindern, dass sie unnötig Warmwasser verbrauchen. Auch zum Saubermachen der Babyfläschchen ihrer Tochter hat sie einen Weg finden müssen, wie sie die Trinkflaschen mit möglichst wenig warmen Wasser trotzdem sauber bekommt.
Das Wasser in der Wohnung von Sasa und ihrem Mann wird nämlich über einen Durchlauferhitzer, also über Strom, erwärmt. Für ihre Tochter bekommt sie im Monat einen Zuschuss von etwa 2,30 Euro vom Amt für die Warmwassererzeugung. Den Rest der Stromkosten müssen sie selbst tragen. Wegen der steigenden Energiekosten hat Sasa ihren Stromkostenabschlag um ungefähr 30 Prozent erhöht, damit sie eine mögliche Nachzahlung im nächsten Jahr zumindest etwas abfedern können.
"Armut bedeutet 24/7 überlegen und organisieren und schauen: Was geht, was geht nicht? Wo kann ich Geld einsparen? Das ist einfach zu viel."
Sasa ist es wichtig, ihre Geschichte zu erzählen, weil sie zeigen möchte, wie divers Armut in Deutschland ist. Auf Twitter hat sie sich – wie viele andere Menschen – unter dem Hashtag #Ichbinarmutsbetroffen zu Wort gemeldet und über ihre Situation geschrieben.
Bei Armut wird noch viel zu häufig in Vorurteilen gedacht, so Sasa. Oft werde dann die Geschichte von einer Person erzählt, die Hartz IV bezieht und nicht arbeiten gehen möchte. Welche Geschichten kaum oder gar nicht abgebildet werden sind die der Menschen, die von Armut betroffen sind, obwohl sie arbeiten gehen, ihre Angehörigen pflegen, schwer krank oder alleinerziehend sind.
"Ich bin sehr glücklich, dass sich so viele der Diskussion angeschlossen haben, Gesicht zeigen, den Mut aufgebracht, die Scham überwunden haben und endlich zeigen, was in diesem Land los ist", sagt Sasa über den Hashtag #Ichbinarmutsbetroffen. Sie fordert die Politik zu mehr Hilfe auf.