ArbeitszeitWas für und gegen die Vier-Tage-Woche spricht
Die Aussicht, einen Tag weniger pro Woche zu arbeiten und dafür ein langes Wochenende zu haben, fühlt sich gut an. Lidl in Österreich will das jetzt für seine Mitarbeitenden in der Verwaltung dauerhaft ausprobieren. Wir haben uns angeschaut, was für und was gegen diese Idee spricht.
Natürlich macht Lidl in Österreich seine Supermärkte aber an Freitagen nicht einfach dicht. Für einige Mitarbeitende in der Verwaltung, in der insgesamt 5800 Leute arbeiten, soll die 4-Tage-Woche aber eingeführt werden. Die Arbeitszeit bleibt aber gleich. 38,5 Stunden Arbeitszeit lassen sich auch in vier Tagen unterbringen.
Fast 10 Stunden am Tag arbeiten
38,5 Stunden verteilt auf fünf Tage sind knapp 8 Stunden am Tag. Verteilt man sie auf vier Tage, sind es fast 10 Stunden am Tag Arbeitszeit.
"Wer morgens um 9 Uhr anfängt, hat erst gegen 19 Uhr Feierabend. Dazu die Pausen und das Pendeln – vielleicht ist man also erst um 21 Uhr zu Hause."
Und das ist bereits das erste Problem des Modells: zu viel Arbeit am Stück. Wer morgens um 9 Uhr anfängt, hat erst gegen 19 Uhr Feierabend. Und je nachdem, wie oft und wie lange man Pause macht, ist man auch schnell mal bei 20 Uhr.
Wer dann noch zur Arbeit pendeln muss, ist vielleicht erst um 21 Uhr zu Hause. Mit Freizeit und Erholung an den rappelvollen Arbeitstagen der Vier-Tage-Woche geht also nicht mehr wirklich viel. Genau die sind aber ziemlich wichtig für uns, erklärt Arbeitspsychologe Tim Hagemann.
"Langzeitstudien zeigen, dass Erholung und Freizeit wichtig sind. Wenn man die nicht hat oder sie stark beeinträchtigt sind, kann das mit gesundheitlichen Folgen einhergehen."
Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, für die mehr als 6700 Beschäftigte zwischen 18 und 65 Jahren befragt wurden, hat gezeigt: Wer Ruhephasen nicht einhält, wird müder, unaufmerksamer und macht mehr Fehler.
Pausen fördern die Gesundheit
Abschalten ist also wichtig, um langfristig keine negativen Folgen davonzutragen, sagt Corinna Brauner von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
"Das Abschalten von der Arbeit ist eine sehr wichtige Erholungserfahrung, die dann auch zum langfristigen Erhalt der Gesundheit beiträgt."
Auf der Haben-Seite der Vier-Tage-Woche steht dagegen natürlich das regelmäßige und verlockend lange Wochenende.
Verlockend: Das lange Wochenende
Und allein mit dieser Perspektive scheinen in der Tat einige positive Effekte verbunden zu sein. Das bestätigt unter anderem Tom Sperner vom Startup Erento. Das Unternehmen hat die Vier-Tage-Woche eine gewisse Zeit getestet – und ist in diesen Monaten offenbar sogar produktiver gewesen.
"Es hat uns auch überrascht, aber es ist so, dass man an vier Tagen viel konzentrierter arbeitet. In diesem Fall kann man das Wochenende vielleicht länger genießen."
Das ist aber natürlich nur ein Beispiel und nicht repräsentativ. Außerdem wurden bei Erento in den vier Tagen nicht die gleichen Wochenstunden wie in einer Fünf-Tage-Woche abgearbeitet, sondern entsprechend weniger. Der Effekt, dass die Leute produktiver sind, wenn sie weniger arbeiten, wurde aber schon häufiger festgestellt, auch bei Microsoft, die mal einen ähnlichen Versuch in Japan gemacht haben.
Konzentration lässt nach
Bis jetzt waren das aber alles immer nur zeitlich begrenzte Versuche über einen kurzen Zeitraum. Es könnte also sein, dass die Produktivität auf Dauer auch wieder abnimmt. Außerdem befürchten Expertinnen und Experten, dass durch den höheren Arbeitsdruck Pausen und Flurgespräche, die ja auch ziemlich wichtig sind, zu kurz kommen könnten.
Die Arbeitszeit dann einfach nach hinten zu verlängern, ist auch schwierig, zeigen Studien – weil die Konzentration nach ungefähr acht Stunden Arbeit einfach spürbar abnimmt.
Weniger Arbeit, mehr Glück - so einfach ist es nicht
Immerhin 71 Prozent der Deutschen haben in einer Forsa-Umfrage Anfang des Jahres angegeben, dass sie sich eine 4-Tage-Woche gut vorstellen können. Mehr Freizeit allein bedeutet aber nicht automatisch auch mehr Glück, hat eine Studie gezeigt. Wenn Menschen ihre Arbeit gern machen, hilft das. Leute, die ihre Arbeit glücklich macht, arbeiten produktiver.
Wie die 4-Tage-Woche in der Praxis über einen längeren Zeitraum läuft, können wir uns bald in Belgien anschauen. Dort gibt es nämlich seit dem 1. Februar 2022 per Gesetz die Möglichkeit, nur vier Tage zu arbeiten. Allerdings bei gleicher Stundenzahl, also genauso wie Lidl das machen will.