ArbeitszeitNine-to-five war gestern
Flexiblere Arbeitszeiten - das fordern die Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen Jahresgutachten. Und meinen damit: Wenn nötig, soll der Acht-Stunden-Tag ausgeweitet werden. Dabei arbeiten viele von uns ohnehin schon mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen 48 Stunden pro Woche.
Vor dem ins Bett gehen noch eine Telefonkonferenz, morgens um sechs schnell die Mails checken. Gesetzlich ist das momentan eigentlich nicht erlaubt. Wenn es aber nach den Wirtschaftsweisen geht, dürfen Unternehmen ihren Arbeitnehmern das bald zumuten. Florian Rosing kennt das - er hat regelmäßig mehr gearbeitet als erlaubt.
"Theoretisch sind die Wochenenden frei, praktisch hängt es davon ab, ob viel zu tun ist. Und es ist immer viel zu tun."
Florian Rosing verdient gut in dieser Zeit in der Großkanzlei, sein Einstiegsgehalt liegt bei 90.000 Euro im Jahr. Doch runter gerechnet auf eine Stunde sei es dann doch nicht mehr als in vielen anderen Jobs, meint er. Als Anwalt schuftete er damals oft 65 Stunden pro Woche. Verabreden konnte er sich kaum noch, weil er wusste, dass er die Treffen am Ende doch verschieben oder ganz absagen musste.
Leistungsdruck, Stress, kaum Freizeit
Vor allem in klassischen Bürojobs, aber auch in der Hotelbranche, der Gastronomie oder beratenden Berufen ist es üblich, dass Arbeitnehmer mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten. Dabei gilt für alle Arbeitnehmer das Arbeitszeitgesetz, das die Wirtschaftsweisen nun lockern wollen.
Bisher gilt:
- Arbeitnehmer dürfen bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten
- Das wären bei einer 5-Tage-Woche maximal 9,6 Stunden pro Tag
- Wer trotzdem mehr arbeitet, der darf das laut Gesetz nur, wenn er es danach ausgleicht und weniger arbeitet
In der Praxis wird diese Regel oft gebrochen. Denn längst nicht jeder Viel-Arbeiter gleicht seine Mehrarbeit aus, indem er später wieder deutlich weniger arbeitet.
"Ich meine, es werden zu wenig Prüfungen durchgeführt, um dann den Arbeitgeber an die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu erinnern."
Was können wir also tun, wenn wir regelmäßig mehr arbeiten, als im Vertrag steht? Eric Maas, Fachanwalt für Arbeitsrecht, empfiehlt: Erst mal zum Vorgesetzten oder zum Betriebsrat gehen. Und dann zum Anwalt. Doch das machen die wenigsten, denn wer verklagt schon seinen Chef?
Florian Rosing, der Rechtsanwalt aus Berlin mit der 65-Stunden-Woche, hat bei der Großkanzlei irgendwann gekündigt und sich selbstständig gemacht. "Ich hab mir ein anderes Leben gewünscht, nicht weniger Arbeit, aber selbstbestimmter." Heute arbeitet er in seiner eigenen Kanzlei, genau so viel wie früher. Er fühlt sich dabei aber besser. Und die 19 Mitarbeiter, die er mittlerweile hat, dürfen früher gehen, sagt er: "Wir wollen unsere Mitarbeiter eben nicht ausbluten lassen, sondern jedem die Möglichkeit geben, seine Arbeitszeit selbst zu planen, soweit das möglich ist."
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