Computer als GefühlssensorenWie Unternehmen noch mehr aus uns rausholen wollen
Das Start-up Tawny will mit Computern und Wearables die Konstitution und Gefühlslage von Mitarbeitern erfassen und Arbeit optimal verteilen.
In München testet das Start-up Tawny, wie Maschinen Gefühle von Menschen erfassen und auswerten können. Unser Reporter Julian Ignatowitsch hat sich gefragt, ob das funktionieren kann und die Gefühlserfassung irgendwann tatsächlich Teil unserer Arbeitswelt sein wird. Der Geschäftsführer von Tawny, Marco Meier, hat Julian erklärt, dass es ihm auch darum geht, das Zusammenleben von Mensch und Maschine, das immer wichtiger wird in der Zukunft, angenehm zu gestalten.
Smarte Wohlfühl-Arbeitsatmosphäre
Ein Teil dieser Wohlfühl-Arbeitsatmosphäre ist die äußere Umgebung: beispielsweise soll das Licht individuell angepasst, Temperatur geregelt, Geräusche reduziert werden. Neben der auf Mitarbeiter angepassten smarten Arbeitsumgebung erfasst die Software aber auch, wie leistungs- oder arbeitsfähig der Mitarbeiter im Moment ist.
"Man hat halt mal einen guten und einen schlechten Tag, und das wirkt sich aus."
Mit dem Computer soll sehr viel genauer und feiner erfasst werden, in welcher Gefühlslage sich gerade ein Mensch befindet. Die Messungen werden in relativ kurzen Intervallen durchgeführt, sind leicht automatisier- und skalierbar, erklärt der Unternehmer.
Die Gefühlsmessung ist nicht mehr nur blanke Theorie, sondern bereits in der Praxis getestet worden. In einem Call-Center haben Mitarbeiter Wearables getragen, die an Handgelenk, Brust oder Shirt, Daten erfasst haben.
"Dann kann man eben Puls, Hautwiderstand, Temperatur und weitere solcher Faktoren messen - und wir werten die dann aus und geben dem Ganzen dann eine emotionale Bedeutung."
Im besten Falle erkennt der Computer, welcher Mitarbeiter gerade am besten drauf ist und verteilt entsprechend die Arbeit, beziehungsweise leitet den nächsten Anruf an den Leistungsfähigsten weiter.
Totale Überwachung am Arbeitsplatz
Gewerkschaften stehen diesem Modell kritisch gegenüber, weil es ein Schritt zur totalen Überwachung am Arbeitsplatz ist. Allein wegen der rechtlichen Hemmnisse glaubt Nadine Müller von der Gewerkschaft Verdi nicht, dass eine derartige Gefühlserfassung zugelassen werde. Außerdem müssten die Beschäftigen dieser Erfassung freiwillig zustimmen.
"Zum einen scheint es rechtlich kaum zulässig, dass Beschäftigte in Zukunft eine bestimmte gefühlsmäßige Verfassung bereitstellen müssen. Zweitens besteht ein Grundsatz der Datenschutzgrundverordnung darin, dass die Beschäftigten aktiv in die Datenerfassung, die einer Überwachung entspricht, einwilligen müssen."
Auf viele Fragen hat Tawny-Geschäftsführer Marco Maier keine Antwort: Was passiert mit den gesammelten Daten? Wer bekommt die Daten? Wer sorgt für deren Sicherung? Zwar sagt Marco Maier, die Arbeitgeber wollen diese Daten gar nicht behalten, sondern möchten gerne, dass Tawny diese verwaltet. Aber wer möchte schon solche sensiblen Daten in der Hand eines Unternehmens wissen?
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