ArbeitsrechtMut zum radikalen Feierabend
Feierabend im Homeoffice heißt von jetzt auf gleich in den Freizeitmodus wechseln: Laptop zu und ab auf die Couch. Und dann: Der Chef oder die Chefin ruft an. Manchmal geht es nur um eine Kleinigkeit, auf Dauer können Anrufe nach Feierabend aber ziemlich nerven.
Portugal will dem jetzt einen Riegel vorschieben. Es verbietet in Zukunft per Gesetz, dass Chef*innen nach Feierabend anrufen dürfen. Allerdings gelte das erst bei Unternehmen ab zehn Mitarbeiter*innen. Wer sich nicht daran hält, dem droht eine Geldstrafe, erklärt Deutschlandfunk Nova-Reporter Christian Schmitt.
Im Arbeitsschutzgesetz sind Ruhezeiten fest verankert
Im Gegenteil zu Portugal ist in Deutschland schon jetzt arbeitsrechtlich verankert, dass man nach Feierabend von Chef*innen zumindest nicht telefonisch kontaktiert werden darf.
Ob offiziell verboten oder nicht: Arbeitnehmer*innen drücken aus Loyalitätsgründen oft ein Auge zu, wenn sich nach Feierabend noch jemand aus dem Job meldet, aus gesundheitlicher Sicht bedeutet das jedoch immer Stress für den Körper, warnt Arbeitspsychologe Tim Hagemann.
"Langzeitstudien zeigen, dass Erholung und Freizeit wichtig sind. Wenn man die nicht hat oder sie stark beeinträchtigt sind, kann das mit gesundheitlichen Folgen einhergehen."
Das Gehirn kann Nachrichten, die die Arbeit betreffen, nicht ignorieren
Tim Hagemann erklärt das so: Wenn der Körper Stress hat, ziehen er bzw. das Gehirn Energie, weil Stress mit Gefahr gleichgesetzt wird. Und diese Energie kann dann zum Beispiel von unserem Immunsystem abgezogen werden. Die Folge: Wir sind schwächer gegen Bakterien und Viren aufgestellt, können Verdauungsprobleme bekommen und sind auch psychisch mehr belastet.
"Das Arbeitszeitgesetz in Deutschland sagt: Zwischen Feierabend und Dienstbeginn müssen mindestens elf Stunden liegen, in denen man nicht mit Arbeit behelligt werden darf. Dazu gehören Chefanrufe, wenn es kein Notfall ist."
Nun soll es aber auch Chef*innen geben, die den Notfall weit fassen und sich trotzdem öfter melden, als einem lieb ist. Oder man stößt nach Feierabend oder am Wochenende noch auf die Übergabemail. Dagegen gibt es zwar kein Gesetz, aber technische Möglichkeiten, die man auch nutzen sollte, um sich selbst zu schützen, rät Tim Hagemann.
Dauererreichbarkeit ist nicht mit Professionalität gleichzusetzen
"Jemand, der ständig reagiert und sofort auf eine E-Mail oder eine Whatsapp reagiert, zeigt, dass er nicht leistungsfähig ist. Menschen, die sehr leistungsfähig sind, können auch gut abschalten."
Tipp: Smarte Tools nutzen und so Grenzen setzen
Die Umleitung von bestimmten Nummern auf die Mailbox, das Blockieren bestimmter Absenderadressen von Arbeitsmails für einen bestimmten Zeitraum oder das Ausstellen von Push-Mitteilungen von Dienstmails auf dem Handy - alles Maßnahmen, die helfen können. Auf jeden Fall können auch eine Maßnahme sein, beim Chef oder Chefin ehrlich anzusprechen, dass man keine Mitteilungen oder Telefonate in der Freizeit bekommen möchte.
Wer bewusst Grenzen setze, gelte nicht als faul. Im Gegenteil, sagt Tim Hagemann, zur Leistungsfähigkeit gehöre, dass man auf der einen Seite konzentriert arbeitet, auf der anderen Seite ein gutes Pausen- und Erholungsmanagement hat.