Anti-TerroreinsatzReichsbürger planten Staatsstreich
Es war wohl der größte Anti-Terroreinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, bei dem 25 sogenannte Reichsbürger und -bürgerinnen festgenommen wurden. Die Gruppe wollte die Regierung stürzen und die Macht ergreifen.
Mehr als 3000 Polizeibeamt*innen, die GSG 9, Spezialeinheit der Bundespolizei, und die Anti-Terroreinheit der Bundespolizei waren am 7. Dezember an dem bundesweiten Anti-Terroreinsatz beteiligt. Mehr als 130 Wohnungen wurden untersucht und Beweismittel sichergestellt. 25 Personen aus der sogenannten Reichsbürger- und Querdenkerszene wurden verhaftet. 19 der 25 Haftbefehle wurden bereits bestätigt und damit Untersuchungshaft angeordnet.
Auch im Ausland sind zwei Personen verhaftet worden: Der ehemalige Bundeswehr-Oberst Maximilan Eder wurde in Italien gefasst und eine weitere Person in Österreich, so Holger Schmidt, ARD-Sicherheitsexperte. Bei den Razzien wurden wie geplant alle Festnahmen umgesetzt – ohne Zwischenfälle.
"Alle, die festgenommen werden sollte, wurden auch festgenommen."
Der Verdacht lautet, dass die Personen einer terroristischen Vereinigung angehören und einen Staatsstreich geplant haben.
"Jetzt beginnt das große Auswerten", sagt Holger Schmidt. Eben weil es ein so großer und umfangreicher Einsatz war, wird es ein paar Tage dauern, bis alle Ergebnisse zentral beim Bundeskriminalamt und Bundesgeneralanwalt angekommen sind, so Holger Schmidt.
Bei den Verdächtigen wurden wohl große Bargeldbeträge gefunden, bei einem der Beschuldigten bis zu 100.000 Euro. Ebenso wurden Waffen konfisziert, die teils auch im legalen Besitz waren.
Ziel: Sturz der Regierung
Die Gruppe hat laut Ermittlungsbehörden geplant, den Bundestag zu stürmen, die Bundesregierung abzusetzen und Politiker festzunehmen, so Michael Götschenberg. Er ist Journalist und ARD-Experte für Terrorismus und Sicherheit.
Ziel war es, sich an die Macht zu putschen. "Gleichzeitig wollte man das Land ins Chaos stürzen", sagt Michael Götschenberg. Die Gruppe wollte zum Beispiel die Stromversorgung sabotieren und bürgerkriegsähnliche Zustände herbeiführen, so der Journalist.
"Die Gruppe wollte eine neue Regierung einsetzen."
Die Ermittelnden sind bei Festnahmen im Zusammenhang mit der Gruppe Vereinte Patrioten im April 2022 auf das Netzwerk aufmerksam geworden. Auch diese Gruppe wollte das Stromnetz lahmlegen. Außerdem hat sie geplant, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu entführen. Bei den damaligen Ermittlungen gab es erste Hinweise auf die Vereinigung, die jetzt im Fokus steht.
Ministerposten waren schon verteilt
An der Spitze ihrer neuen Regierung sollte Heinrich XIII. Prinz Reuß stehen, der oben im Bild zu sehen ist. "Der Mann ist seit Jahren als Reichsbürger bekannt und aufgetreten", sagt Michael Götschenberg. "Er ist einer der Anführer dieser Gruppe." Heinrich XIII. Prinz Reuß wurde in Frankfurt am Main in seiner Wohnung festgenommen.
Auch wer welche Ministerposten nach dem Umsturz übernehmen soll, hat die Gruppe bereits festgelegt - dabei die ehemalige Afd-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, die als Richterin in Berlin arbeitet. Sie wurde bereits am 7. Dezember von aktuellen Entscheidungen des Gerichts abgezogen.
"Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gruppe einen Umsturz geschafft hätte, ist sehr gering."
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gruppe den geplanten Staatsstreich hätte umsetzen können, schätzt der Terror-Experte als gering ein. "Es spricht nichts dafür, dass es hier fünf für zwölf gewesen wäre", sagt der Sicherheits-Experte. Dennoch sollte man die Gefahren nicht unterschätzen.
"Man sollte die Gefahr nicht unterschätzen, die von dieser Gruppe ausgeht."
Die Gruppe setze sich zusammen aus Esoteriker*innen, Schwurblern, Menschen, die Verschwörungserzählungen glauben und verbreiten, und Reichsbürger*innen. "Die glauben, dass es dieses Land in Wahrheit gar nicht gibt", sagt der Journalist. Ebenso zählen radikalisierte Querdenker*innen zur Vereinigung. "Sie haben jedes Vertrauen in die Institutionen dieses Landes verloren und beschlossen, dass sie diese Institutionen nun bekämpfen wollen."
Dazu gehören auch ehemalige Zeitsoldaten der Bundeswehr, die teils sogar im Kommando Spezialkräfte dienten. "Sie haben Zugang zu Waffen. Das sind Personen, die auch wissen, wie man so was macht", sagt Michael Götschenberg.
Gruppe ist sehr heterogen
Die Gruppe sei wohl durch die aktuellen Ermittlungen zerschlagen, hält Holger Schmidt fest. Doch der Bundesverfassungsschutz schätzt die gewaltbereite Szene von Reichsbürger*innen auf rund 2000 Personen, so der Journalist. Hier könnten neue Gruppen und Netzwerke entstehen.
Außerdem sei es erschreckend, wie heterogen die Gruppe sei, die nun aufgeflogen ist. Da seien durchaus auch jüngere Menschen dabei, nicht nur ältere Männer. Zur Vereinigung gehöre beispielsweise auch eine Ärztin mit gut gehender Praxis. "Da stehe ich persönlich fassungslos davor", sagt Holger Schmidt.