Demos in kleineren Städten und DörfernDen Marktplatz zurückerobern: Anti-AfD-Proteste in der Provinz
Nicht nur in den größtenteils liberalen Großstädten gehen Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße, auch in vielen kleineren Städten und Gemeinden im Osten wie im Westen gibt es seit Wochen Proteste. Dort sind die Herausforderungen oft ganz andere als in den Metropolen.
In den vergangenen Wochen haben immer wieder tausende Menschen in Deutschland gegen Rechtsextremismus und die AfD demonstriert – von Hamburg über Berlin und Köln bis München gab es hohe Teilnehmerzahlen. Nicht wenige Expert*innen sprechen von einer neuen Protestbewegung, die durch Deutschland geht.
Auch in kleineren Städten und ländlichen Gemeinden ist dieser Protest angekommen: Unser Bild oben zeigt zum Beispiel Protestierende auf einer Kundgebung am 27.01.2024 im Örtchen Borkheide in Brandenburg. Das 2200-Seelen-Dorf liegt zwischen Magdeburg und Berlin.
In Zittau im sächsischen Landkreis Görlitz hat am 29.01.2024 eine Demo gegen Rechtsextremismus stattgefunden. In der Stadt mit knapp 30.000 Einwohnern ist die rechte Szene sehr aktiv. Dorothea Schneider, Aktivistin und Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins "Augen auf", war eine der Organisator*innen der Demo. Im Gespräch mit Deutschlandfunk Nova hat sie über ihre Arbeit berichtet.
Superwahljahr in Sachsen: "Die Leute auf die Straße bekommen"
Zunächst habe es "kurz zeitliche Probleme" gegeben, weil man sich erst einmal durch einen Autokorso der Montagsdemonstrierenden habe quälen müssen. Deren Organisator*innen gehören wiederum zum rechtsextremen Spektrum. Doch die insgesamt 370 Teilnehmenden der Demo gegen Rechtsextremismus hätten die Verzögerung "sehr entspannt" aufgenommen.
"Die Herausforderung ist, die Leute überhaupt auf die Straße zu bekommen. Das gelingt uns jetzt wirklich, durch diese Welle, die gerade durch die Bundesrepublik geht."
Die Correctiv-Recherche, die kürzlich ein Treffen hochrangiger Rechtsextremer mit Vertretern der AfD aufgedeckt hat, habe laut Schneider "jetzt doch mal den einen oder anderen nochmal wach gemacht". Dazu komme, dass 2024 in Sachsen ein Superwahljahr sei – mit Kommunal- und Landtagswahlen sowie der Europawahl.
"Ich glaube, da ist vielen nochmal bewusst geworden: Wenn nicht jetzt, wann dann?"
Es gehe zunächst einmal darum, herauszufinden, wer überhaupt bereit sei, in Zittau eine Demo auf die Beine zu stellen, sagt Dorothea Schneider. In diesem Fall waren es Schülerinnen und Schüler, die bewusst an einem Montag gegen die aus dem rechtsextremen Spektrum heraus organisierten Montagsproteste auf die Straße gehen wollten – auch schon vor der großen Protestwelle. Auch in der Stadt Görlitz zeige eine junge Gruppe wieder Gesicht gegen die Montagsdemos.
Gegenbewegung gegen die Montagsproteste
Die Sicherheit der Demonstrierenden sei natürlich ein ganz großer Faktor. Die Gegenseite habe stark provoziert und immer wieder versucht, sich mit in die Kundgebung zu stellen, erzählt Dorothea Schneider. Teilweise seien einzelne Teilnehmer der Gegenseite damit auch erfolgreich gewesen und hätten einzelne Teilnehmende abgefilmt.
In der Woche davor sei die Polizei sehr wachsam gewesen – diesmal sei sie dagegen nicht auf die Hinweise der Protestierenden bezüglich der Störer eingegangen.
"Es ist immer wieder erschreckend zu merken, wie abhängig man davon ist, was für Einsatzkräfte vor Ort sind."
Die Demos zu organisieren, betrachtet Dorothea Schneider nicht als großes Risiko. Die Tatsache, dass sie mit Recherchekollektiven zusammenarbeitet, selber Recherche macht und Vorträge über rechte Strukturen hält, dagegen schon. Dadurch, dass sie auch in der Öffentlichkeit, in Radio und Fernsehen, Gesicht zeigt, würden bestimmte Personen aus dem rechtsextremen Spektrum "getriggert", sagt sie.
Rückeroberung des Marktplatzes
Vor allem, dass sie mit ihrem Bündnis für das gesamte Jahr 2024 Demos auf dem Marktplatz angemeldet hat und damit den Rechten zuvorgekommen ist, dürfte einigen nicht gefallen. Die Leute aus dem rechtsextremen Spektrum müssten nun einen Ausweichort suchen – "und das bedeutet, das dieses Jahr der Marktplatz vielleicht uns gehören könnte", so Dorothea Schneider.
"Der Marktplatz in Zittau ist riesengroß. Und es hat schon eine Bedeutung, dass dort seit drei Jahren jeden Montag antisemitische, diskriminierende, teilweise auch Verschwörungserzählungen ausgetauscht werden. Dass dort Hass und Hetze gegenüber marginalisierten Gruppen betrieben wird."
Nun sei es an der Zeit, dass an diesem Ort etwas anderes stattfindet.