PsychologieStress kann ansteckend sein
Der Stress der anderen kann sich auch auf uns übertragen. Das haben Forschende jetzt in einer Studie nachgewiesen. Die Ansteckungsgefahr ist besonders groß bei Menschen, die uns nahe stehen. Das hat aber weniger mit der eigenen Empathiefähigkeit zu tun.
"Dein Stress ist auch mein Stress" - vor allem wenn Menschen sich nahe stehen, lässt sich Stress leicht übertragen. Das haben Forschende der Uni Gießen und der Uni Wien in einer Studie festgestellt.
"Wenn wir eine Person beobachten, die gerade unter Stress steht, dann kann das auch in uns Stressreaktionen hervorrufen – das zeigt sich zum Beispiel in unserem Hormonhaushalt."
Stress ist ansteckend – und zwar über die eigene Wahrnehmung. Sehen wir eine gestresste Person, kann sich das in unserem Hormonhaushalt niederschlagen: Wir schütten dann vermehrt das Stresshormon Cortisol aus. Das passiert vor allem dann, wenn wir uns der gestressten Person sozial verbunden fühlen.
Ansteckungsgefahr vor allem bei sozialer Verbundenheit
Das Forschungsteam hat die Teilnehmenden der Studie in Kleingruppen aus vier oder fünf Personen eingeteilt. Die eine Hälfte hat an Gruppentischen gesessen und sollte zusammen überlegen, welche Gemeinsamkeiten sie teilen. Damit sollte ein "Wir-Gefühl" hergestellt werden.
Die anderen Gruppen haben an Einzeltischen gesessen. Anschließend hat jeweils ein Mensch einer Gruppe einen psychologischen Stresstest absolviert: In einem fiktiven Bewerbungsgespräch überzeugen und anspruchsvolle Kopfrechen-Aufgaben lösen.
"In den Gruppen, in denen ein "Wir-Gefühl" erzeugt wurde, stieg das Cortisol-Level in 25 Prozent der Fälle an."
Während des Tests haben die Forschenden immer wieder Speichelproben von den Zusehenden genommen. Das Ergebnis: In den Gruppen, in denen eine soziale Identität geschaffen wurde, stieg das Cortisol in 25 Prozent der Fälle an. In den Einzelgruppen waren es nur 7 Prozent.
Empathiefähigkeit spielt weniger eine Rolle
In weiteren Untersuchungen haben die Forschenden ausgeschlossen, dass der Cortisol-Anstieg mit der Empathiefähigkeit einer Testperson zu tun hat. Dabei waren die Forschenden überrascht, dass nicht unbedingt die Menschen mit einer stärkeren Empathiefähigkeit sich stärker vom Stress haben anstecken lassen.
"Das Risiko, die Gefühle anderer zu übernehmen, hat weniger mit der Persönlichkeit, sondern viel mehr mit konkreten Situationen zu tun."
Das bedeutet, es geht vor allem darum, wie verbunden wir uns in dem Moment mit der gestressten Person fühlen. Die Forschenden vermuten außerdem: Je stärker die Verbundenheit, desto größer ist auch der Effekt.
Gilt auch für andere Gefühle
Handelt es sich um den Stress besonders verbundener Menschen wie Partnerinnen, Freunde und Angehörige sind wir besonders anfällig. Das gilt übrigens nicht nur für Stress: Andere Untersuchungen beweisen das ebenfalls für beispielsweise Freude, Trauer und emotionalen Schmerz.