Amoklauf von MünchenDie Waffe aus dem Darknet
Der Attentäter von München hat sich seine Waffe aus dem Darknet beschafft. Wie einfach bekomme ich da eine Waffe und was kann die Polizei dagegen tun?
Die Pistole, mit der Ali David S. in München neun Menschen und sich selbst erschoss, war eine reaktivierte Theaterwaffe. Diese Waffe, eine Glock 17, hatte sich Ali David S. im Darknet beschafft. Darauf deuten Chatprotkolle hin, die die Ermittlungsbehörden bei der Durchsuchung sicherstellen konnten.
Erschreckend einfach…
In den Medien wird das Darknet etwas verschwurbelt als geheimes Web bezeichnet. So beschreibt es jedenfalls die Süddeutsche Zeitung, auch Focus Online spricht von einer Art Geheiminternet. Das ist aber irreführend, sagt unsere Netzreporterin Martina Schulte. Weil es sich so anhört, als sei es nur mit gewissen technischen Kenntnissen möglich, dort einzukaufen. Das stimme aber ganz und gar nicht, es sei ganz leicht.
"Viele Kids oder auch Party-Drogenkonsumenten sind da heute recht selbstverständlich unterwegs."
Um an diesen "so wahnsinnig geheimen Platz" zu kommen, sagt Martina Schulte, braucht man nicht viel mehr als einen Tor-Browser. Und den hätten sich im Zug der Snowden-Affäre viele runtergeladen.
- Den Torbrowser kann man nutzen, um unerkannt im normalen Internet rumzusurfen
- Er verschleiert die IP-Adresse des Nutzers
- Man gelangt damit auch ins Darknet oder Deepweb, im Jargon "Onion-Land" genannt, weil die Zwiebel das Symbol des Tornetzwerks ist und die Deepwebseiten die Endung .onion haben
Dark ebay
Im Darkweb ist es mittlerweile aber nicht mehr besonders dark, sondern eher mainstream, das haben wir euch hier vor einem halben Jahr schon mal erklärt. Es gibt dort Markplätze, die ähnlich funktionieren wie Ebay. Dort kann man sich so einiges besorgen: von einer Dreierpackung mit gefälschten 20-Euro-Scheinen (für 20 Euro) über Koks bis hin zu gehackten Kreditkarten oder einem deutschen Personalausweis mit Wasserzeichen für rund 650 Euro.
"Und das Verrückte ist, der Kauf dort ist genau so organisiert wie in der normalen Netzwelt: mit Preissuchmaschinen, einer eigenen Wiki - der Hidden Wiki - und Bewertungsportalen."
Da kann man dann seinen Drogendealer bewerten. Ob der Preis in Ordnung war, die Qualität oder auch die Zustellung. Die Ware kommt ja meist bequem mit der Post nach Hause, genau wie bei Ebay oder Amazon.
Soweit so banal. Der größte Teil der illegalen Waren im Darknet sind illegale Drogen, gefolgt von verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die machen laut einer Economist-Studie über 95 Prozent des Marktes aus, der 2015 ganze 140 Millionen Dollar schwer war.
Drogen, Medikamente, Waffen, Kinderpornos
Waffen oder Kinderpornografie werden im Vergleich zu Drogen sehr sehr selten gehandelt. Das Darknet-Watchblog Deepdotweb schreibt, in der Vergangenheit hätten einige wenige bekannte Darknet-Marktplätze gegen den Wunsch vieler Nutzer den Handel mit Waffen gestattet.
Die meisten Darknet-Nutzer sind eher am Kauf illegaler Drogen interessiert - sie haben jetzt Angst, schrieb Deepdotweb, dass Waffenverkäufe für unnötige Medienaufmerksamkeit sorgen.
"Wenn mit einer Waffe aus dem Darknet ein Terroranschlag verübt wird, geht es den Drogenhändlern mit an den Kragen, so die Befürchtung."
Die Ermittlungsbehörden würden das Darknet dann stärker ins Visier nehmen als bisher. Nach München ist das eine nicht unberechtigte Vermutung.
Ist der Waffenkauf im Darknet einfach?
Im Prinzip ja, sagt Martina Schulte. Gerade Anfang Juli sind von der Staatsanwaltschaft Stuttgart drei Deutsche angeklagt worden, die im darkweb mit Schnellfeuerwaffen gehandelt haben sollen. Sie haben unter anderem eine AK-47, also eine Kalaschnikow, verkauft - und eine Zastava M70, das ist ein serbischer Kalaschnikov-Nachbau.
"Es waren Dummy-Waffen, die nicht mehr funktionsfähig waren - der Käufer hat sie dann wieder scharf gemacht."
Das Blog Deepdotweb schreibt, die Waffen und die Munition seien auf Darknet-Marktplätzen für insgesamt 11.200 Euro verkauft und dann an den Käufer per Post nach Paris geschickt worden. Und zwar, wie "Die Welt" schreibt, zu einem sehr heiklen Zeitpunkt: Mitte November 2015, kurz vor den Anschlägen in Paris. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat aber keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Waffen tatsächlich in Paris angekommen sind.
Hase und Igel
Den Waffenhandel im Darknet komplett verhindern kann die Polizei nicht, sagt Martina Schulte.
"Wenn die Polizei einen Händler hochgehen lässt, macht an einer anderen Ecke ein neuer auf. Das ist so eine bisschen wie beim Rennen zwischen Hase und Igel."
Trotzdem sind im Darknet viele Ermittlungsbehörden und auch die Geheimdienste unterwegs. Ein verbreiteter Ermittlungs-Ansatz ist es, so genannte "Honey-Pots" aufzustellen: Beamte übernehmen die Accounts von Händlern und die Käufer, die dort illegale Waren kaufen wollen, landen direkt bei der Polizei. Das komplette Darknet kann man mit solchen Methoden aber sicher nicht trockenlegen.
Nicht nur schlecht
Das Darknet wird aber nicht nur zum Drogenverkauf genutzt – es ist auch für Dissidenten und Whistleblower ein wichtiger Ort, an dem man unerkannt kommunizieren kann. Außerdem hilft das Darknet auch, Gewalt zu vermeiden. Zu diesem Schluss kommt der Global Drug Survey, eine der größten Drogenumfragen im Netz. Denn man muss nicht mehr in dunklen Straßenecken Drogen kaufen.