Minimalistischer AlpinismusProfi-Bergsteiger: "Der Gipfel als Zwischenstopp"
Wer weit nach oben klettert, muss auch wieder weit runter. Profi-Bergsteiger Jost Kobusch über minimale Ausrüstung und maximale Motivation.
Auf die höchsten Berge der Welt – mit wenig Ausrüstung, im Winter und alleine. Das sind seine Lieblingsbedingungen, sagt der Profi-Bergsteiger Jost Kobusch. Im Vergleich zu vielen seiner anderen Kletterziele sei der Mont Blanc, immerhin der höchste Berg der Alpen, ein Spaziergang, findet er. Inzwischen ist er davon überzeugt, dass Talent überbewertet und das Aufbauen von Fähigkeiten wirklich unterbewertet ist.
"Statistisch gesehen ist der Abstieg gefährlicher. Da oben zu stehen, ist ein Erfolgsmoment. Dabei vergessen viele, dass sie erst die Hälfte der Strecke haben."
Der Profi-Alpinist sagt über Sauerstoff aus der Druckflasche und das exzessive Anbringen von Seilrouten: "Meine Philosophie war von Anfang an auf solche Sachen zu verzichten und das möglichst minimalistisch zu machen." Zwar wolle er stets nach oben auf die Gipfel, das eigentliche Ziel ist aber schon im Basislager unten wieder anzukommen.
Profi-Alpinist: "Der wahre Gipfel ist das Basislager"
In diesem Jahr wird Jost Kobusch dreißig Jahre alt (Stand 03.07.2022) und hat noch einiges vor. Routen zu klettern, bei denen es bislang nicht geklappt hat zum Beispiel.
"Du bist oben, schaust kurz auf die Uhr, machst ein paar Gipfelbilder, doch der wahre Gipfel ist das Basislager. Der Gipfel oben ist Kilometer 22 beim Marathon."
Beim Versuch im Jahr 2015 den Berg Lhotse in China zu besteigen, hätte schon für immer Schluss sein können, sagt Jost Kobusch. Der Bergsteiger geriet im Basislager in eine Lawine. Das Basislager wurde völlig verwüstet, andere verloren dort ihr Leben, er hatte viel Glück, sagt er.
Mehrere Nahtoderfahrungen
Richtig erwischt habe ihn die Staublawine, die wie eine Explosionswelle vor der Lawine wegschießt. Das war nur eines von mehreren Nahtoderlebnissen während seiner Touren. Ein Kilo Yak-Käse, das bei der Tour dabei hatte, habe er nicht wiedergesehen.
Danach hat Jost Kobusch die Annapurna Eins bestiegen – ein Achttausender im Himalaja in Nepal. Dieser Bergrücken im Himalaja ist wegen seiner Schwierigkeit berüchtigt. Zeitweise verlor statistisch etwa jede*r dritte Bergsteiger*in beim Versuch des Aufstiegs das Leben.
"Je höher du steigst, desto dunkler wird der Himmel. Bei 8.000 Metern ist es ein sehr, sehr dunkles Blau. Es fühlt sich an, wie einen Schritt in den Weltraum zu machen."
Das Spannende am Bergsteigen ist für Jost Kobusch die Regellosigkeit. In diesem Sport könne man unmittelbar mit der größten Herausforderung anfangen – und auch scheitern. Jost Kobusch sagt: " Alpinismus hat so wie Kunst keine Regeln. Du kannst alles machen."
Was Jost Kobusch motiviert, warum Alpinmedizin für ihn nur eine Schattenkarriere ist und aus welchen Fehlern er gelernt hat, hört ihr mit einem Klick auf den Playbutton.