Alles andersWas Long Covid mit unseren Beziehungen macht

Bettina hat Long Covid nach über einem halben Jahr fast überwunden – mit Partnerin Sophia. Die beiden erzählen, wie es ihnen ergangen ist. Was die Erkrankung sozial so herausfordernd macht, erklärt Psychologin und Autorin Stefanie Nüßlein.

Noch bin ich 31 und nicht 90: Das hat Bettina eigentlich nur einmal gedacht in diesem Jahr. Als sie ungefähr 12 Wochen nach ihrer Covid-Erkrankung auf ein Festival gegangen ist. Corona ist bei ihr nicht vorbei, sie leidet unter Long Covid.

"Die Erschöpfung war die Konstante, so dass ich mich sechs Monate lang keinen Tag wirklich wach gefühlt habe oder fit."
Bettina über Fatigue und Long Covid

Bei ihr zeigte sich Long Covid vor allem in Gedächtnisstörungen, schweren Kopfschmerzen und fehlender Körperkontrolle. Rund sieben Monate nach ihrer Infektion fühlt sich Bettina zwar wieder zu 90 Prozent gesund (Stand 10.11.2022). Ein Misstrauen gegenüber ihrem Körper und seiner Zuverlässigkeit ist aber geblieben – und ein andauernder Zustand der allgemeinen Erschöpfung.

"Diese Grundskepsis, ist tief in mir drin, dass ich dem Zustand und irgendwo auch meinem Körper noch nicht komplett vertraue."
Bettina über Long Covid und die Folgen

Mit Ärzt*innen hat Bettina im Zusammenhang mit Long Covid eher schlechte Erfahrungen gemacht. Sie habe immer hoffen müssen, dass ihr Glauben geschenkt wird. Genervt hat sie außerdem die Vielzahl von Ratschlägen aus dem sozialen Umfeld. "Das fand ich wirklich von Minute eins an, nur nervig, weil das ein so diffuses Krankheitsbild ist", sagt Bettina.

Stresstest für die Beziehung

Ihre Erkrankung hat auch die Beziehung zu ihrer Freundin Sophia völlig verändert. Diese hat die Kranke begleitet und musste erkennen, dass sie selbst Bettina nicht heilen kann. Über ihre Beziehung sagt sie heute: "Wir sind gerade dabei, das immer noch zu meistern."

"Diese Krankheit hat von einem Tag auf den anderen unser komplettes Leben umgekrempelt."
Sophia über die Auswirkungen der Erkrankung ihrer Freundin Bettina

Während Bettina also unter extremer Erschöpfung und den anderen Symptomen litt, hatte Sophia den Eindruck, nicht mehr sie selber sein zu können, sondern nur noch für die Bedürfnisse ihrer kranken Freundin da sein zu müssen.

Betroffene brauchen Selbstakzeptanz

Betroffene sollten die folgenden fünf Stolpersteine bei Long Covid nicht zu Fall bringen, findet Stefanie Nüßlein. Sie ist Psychologin und Autorin und hat selbst Erfahrung mit Long Covid machen müssen. Sie nennt:

  1. Symptome ernst nehmen.
  2. Direkt das soziale Umfeld informieren und Mitmenschen einbeziehen.
  3. Höre auf dein Bauchgefühl.
  4. Suche nach Verbündeten und baue ein Netzwerk auf.
  5. Selbstakzeptanz – für Stefanie Nüßlein der wichtigste Teil.

Was das Umfeld von Long-Covid-Betroffenen angeht, entstehen dort grundsätzlich leicht Missverständnisse: "Wenn man gerade selbst nicht weiß, was mit einem los ist, dann fällt es einem auch total schwer, sich anderen mitzuteilen", sagt sie über die Situation, in der sich viele Betroffene befinden.

Stefanie Nüßlein erklärt: Wenn schon klein scheinende Kommunikationsschritte, wie Nachrichten oder Telefonate, erschöpfend sind, kann die daraus folgende Verhaltensänderung andere irritieren. Mehr noch: Partnerschaften regelrecht in eine Schieflage geraten.

"Dem gesunden Partner wird die Beschützerrolle zugeschrieben, das kann dazu führen, dass beide Partner sich nicht mehr auf Augenhöhe begegnen."
Stefanie Nüßlein, Psychologin und Autorin

Sie weist außerdem darauf hin, dass Erkrankungen eigentlich als Ausnahmezustand gesehen werden, Long Covid dann allerdings zu einer frustrierenden Dauererfahrung im Alltag wird. Stefanie Nüßlein empfiehlt, möglichst einen neuen gemeinsamen Alltag mit der Erkrankung zu finden.

Außerdem sollten sich Betroffene klar machen, auf welche Personen im Umfeld zu hundert Prozent Verlass ist und wer in dieser schwierigen Situation zu viel Energie bindet.