AlkoholWie wir merken, dass wir zu viel trinken

Alkohol ist schädlich. Trotzdem gehört er für viele dazu: beim Feiern, Ausgehen oder auch im Alltag. Bei Bucci ist das Trinken irgendwann außer Kontrolle geraten, inzwischen lebt er abstinent. Suchttherapeutin Stefanie Bötsch erklärt, wann genau Alkohol zum Problem wird.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DEG) rät seit diesem Jahr vollständig vom Alkoholkonsum ab: "Die Ergebnisse zeigen, dass es keine potenziell gesundheitsfördernde und sichere Alkoholmenge für einen unbedenklichen Konsum gibt." Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) folgt dieser Marschroute: "Alkoholkonsum sollte von jeder Person reduziert werden, unabhängig davon, wie viel sie trinkt. Am besten ist es, keinen Alkohol zu sich zu nehmen. Alkoholische Getränke bergen Risiken, wenn es um die physische Gesundheit der Menschen geht."

Tatsächlich trinken die meisten von uns laut Statistik aber ziemlich viel Alkohol. Bucci gehörte auch Mal dazu. Er ist Musiker, lebt in Berlin und war immer schon der Typ, der häufig und gerne gefeiert hat. Auch Alkohol war immer mit dabei, und zwar viel Alkohol. Ein Mal hat er mehr als 70 Bier in sechs Tagen getrunken. Irgendwann aber merkt Bucci, dass er seinen Alkoholkonsum nicht mehr unter Kontrolle hat.

Erstes Bier mit 14

Bucci erinnert sich, dass er mit 14 in seiner Heimat Bayern zum ersten Mal Bier getrunken hat – und auch gleich vier Flaschen auf einmal. Er hat sich damals mit vier Kumpels einen Kasten Bier beim Getränkemarkt geholt, dann sind sie in den Wald und haben den dort geleert. Was Bucci damals fasziniert hat: Seine Eltern haben ihm offenbar überhaupt nichts angemerkt, als er nach Hause kam: "Und dann dachte ich mir so: Ich bin der King. Ich kann vier Bier trinken bei meinem ersten Mal und meine Eltern checken es nicht mal."

"Es war auf jeden Fall ein Rausch und es hat mir auf jeden Fall direkt eine Welt geöffnet, die mir sehr viel Spaß bereitet hat."
Bucci, war alkoholabhängig, ist jetzt abstinent

Buccis Alkoholkonsum ist dann sehr schnell sehr stark gestiegen. "Ich hatte wirklich eine Zeit – so mit 17 oder 18 – da war der Ort, an dem man mich angetroffen hat, die Allguth-Tankstelle. Und ich habe mich total gebrüstet, dass ich mal so werden möchte wie die Alkoholiker, die dort verweilen", erzählt Bucci. Irgendwann hat er tatsächlich auch an dieser Tankstelle gearbeitet und dachte sich: "Geil, ich bin direkt an der Quelle."

Erste Anzeichen für Alkoholsucht

Bucci hat dann weiterhin viel getrunken und es gab die ersten Anzeichen für eine Sucht. Der Alkohol hat im Prinzip seinen Tagesablauf bestimmt. Er ist dann irgendwann für das Studium nach Regensburg gezogen. Dort hat er auch die ersten Schritte als Musiker gemacht. Die Zeit dort – und insbesondere sein Song "Durch die Stadt", in dem es um seinen damaligen Lifestyle geht – haben ihm nach und nach die Augen geöffnet.

Entscheidung, keinen Alkohol mehr zu trinken

Weihnachten 2021 befand sich Bucci – wie er sagt – an einem Tiefpunkt, weil er seine Alkoholsucht nicht mehr vor seinen Eltern verstecken konnte.

"Weil meine Eltern mir ins Gesicht geguckt und gesehen haben: Da sitzt ein aufgequollener, versoffener Typ, der komplett lost in seinem Leben ist und gar nicht weiß, wohin."
Bucci, war alkoholabhängig, ist jetzt abstinent

Der 31. Dezember 2021 war dann ein Einschnitt für Bucci. Es war der letzte Tag, an dem er Alkohol getrunken hat. Seine Anker: die Musik. Er hat sich vorgenommen, den Fokus komplett darauf zu legen, ein professioneller Musiker zu werden. Bucci sagt, dass er seine komplette Energie da rein gesteckt hat. Inzwischen lebt er in Berlin. Sein Leben hat sich durch die Abkehr vom Alkohol stark gewandelt, genau wie seine Musik, die inzwischen deutlich positiver ist als früher.

Wann Alkoholkonsum kritisch wird

Für Suchttherapeutin und Sozialarbeiterin Stefanie Bötsch ist die Frage nicht so einfach zu beantworten: "Wann merken wir, dass wir zu viel trinken?" Es gebe zwar Richtmengen von offiziellen Stellen, aber am Ende sei das Ganze doch sehr individuell. Deshalb müsse sich jede und jeder eher die Frage stellen: "Wie fühle ich mich persönlich mit meinem Alkoholkonsum?"

Hinterfragen, welchen Platz Alkohol im Leben hat

Eine Möglichkeit, das zu reflektieren, sei sich zu überlegen, für was man Alkohol konsumiert. Wenn es beispielsweise "Entspannung" ist, könnte man schauen, was sonst noch zu Entspannung führt: "Wenn ich da ne lange Liste habe – sei es Yoga, sich mit Freunden treffen, Sport machen oder vielleicht auch eine Serie gucken – dann ist sozusagen Alkohol nur ein ganz kleiner Teil." Wenn einem allerdings nur Alkohol einfällt, dann sei das schon ein Anzeichen für eine Sucht.

"Wenn alles in Begleitung mit Alkohol passiert, dann merkt man schon, dass ich in dem Themenbereich extrem abhängig bin, weil ich mich ohne Alkohol gar nicht mehr entspannen kann."
Stefanie Bötsch, Suchttherapeutin und Sozialarbeiterin

Als großes Warnsignal sieht die Suchttherapeutin, wenn einen Personen aus dem eigenen Umfeld auf den Alkoholkonsum ansprechen und ihn als kritisch bewerten. Das sollten Betroffene in jedem Fall ernst nehmen und sich überlegen, ob sie zur Suchtberatung gehen.

Dort versuchen die Beraterinnen und Berater dann erst mal zu ergründen, wie viel Alkohol konsumiert wird und aus welchen Gründen. Der nächste Schritt ist, Alternativen zum Alkoholkonsum zu finden: "Und dann wird natürlich geschaut, reicht das zur Veränderung oder braucht man mehr Hilfen." In bestimmten Fällen wäre die Suchttherapie dann eine weitere Maßnahme.

Kritik an Stellenwert von Alkohol in der Gesellschaft

Kritisch sieht die Suchttherapeutin, welchen Stellenwert Alkohol in Deutschland hat. Ihrer Meinung nach sollte er – ähnlich wie in anderen Ländern – nicht so frei zugänglich sein. Auch die Feierkultur, die mit Alkohol verbunden ist, hält sie für bedenklich: "Wir in Deutschland kleben so am Alkohol fest. Immer, wenn was Tolles passiert, muss da gleich angestoßen werden." Aus Sicht von Stefanie Bötsch müsste es da mehr Alternativen geben.

Du hast das Gefühl, du trinkst zu viel und suchst Hilfe? Die Telefonberatung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet unter der Nummer 0221 / 892031 eine Suchtberatung an.

Hinweis: In dem Gespräch wird thematisiert, dass sehr geringe Mengen Alkohol als unbedenklich gelten würden. Diese Aussage ist mittlerweile umstritten. So weist etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung darauf hin, dass es keine sichere Alkoholmenge für einen unbedenklichen Konsum gebe.