Aktivistin berichtet"Es gibt in Deutschland keine Bildungsgerechtigkeit."
Natalya hatte wegen ihres Backgrounds oft das Gefühl, sie sei nicht gut genug. Heute ist sie erfolgreich und hilft mit ihrem "Netzwerk Chancen" Menschen, die mit ähnlich schweren Startbedingungen klarkommen müssen. Wie sie sich hochgekämpft hat, hört ihr in dieser Ausgabe Ab 21.
Dass es im System Ungerechtigkeit gibt, hat Natalya Nepomnyashchaya schon nach der Realschule gemerkt. Ihren Abschluss dort hat sie mit 1,0 gemacht, aufs Gymnasium wurde sie vorher trotz guter Noten nicht gelassen, weil man im Rektorat zu ihr meinte: "Du gehörst hier nicht hin".
Natalya sagt, häufig werde eher nach sozialer Herkunft auf die verschiedenen Schulformen aufgeteilt als aufgrund von Fähigkeiten und Kompetenzen. Laut Ergebnissen der internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU 2016 haben Akademiker*innenkinder eine vier Mal höhere Chance aufs Gymnasium zu kommen als andere – bei gleicher Kompetenz. Allein deshalb gebe es in Deutschland keine Bildungsgerechtigkeit.
Der Faktor soziale Herkunft
Natalya spricht sich dafür aus, die Mehrgliedrigkeit abzuschaffen und eher gute Gemeinschaftsschulen als Regelschulform einzuführen – von der ersten Klasse bis zum Abschluss. Das würde aber wahrscheinlich noch Jahrzehnte dauern, deswegen gelte es vorerst an Schulen und Kindergärten Präsenz zu zeigen und Mentoring und Kurse anzubieten.
Natalya hat es trotz Hürden geschafft, arbeitet für eine der größten Unternehmungsberatungsfirmen und setzt sich mit ihrem "Netzwerk Chancen" seit 2016 deutschlandweit für Chancengleichheit von Kindern und jungen Menschen aus finanzschwachen und nicht akademischen Familien ein. Außerdem ginge es auch darum, Diversität konsequent umzusetzen.
"Oft schreiben sich Firmen Diversität auf die Fahne, allerdings eher für sexuellen oder ethnischen Background. Das sind alles wahnsinnig wichtige Sachen, oft wird dabei aber die soziale Herkunft vergessen."
Natalya hofft, dass Arbeitgeber*innen das Potenzial erkennen und auch Menschen aus unteren sozialen Schichten öfter eine Chance geben. Sie selbst ist ein gutes Beispiel dafür, dass es funktionieren kann. Auch wenn ihre Eltern nicht wirklich verstehen, was das alles bedeutet, sagt sie.
"Ich glaube, dass meine Eltern sehr stolz auf mich sind, auch wenn sie nicht wirklich verstehen, was ich genau mache."