PolitikwissenschaftenAfghanistan: Was wir aus dem Scheitern lernen können
Zwanzig Jahre hat der Krieg in Afghanistan gedauert. Nach dem Abzug der westlichen Staaten waren die Taliban innerhalb von Monaten zurück an der Macht. In seinem Vortrag erklärt der Politikwissenschaftler Christopher Daase, welche sicherheitspolitischen Lehren wir aus dem Einsatz ziehen können.
Die westliche Allianz hat den Krieg in Afghanistan verloren. Sie wurde zwar im offenen Kampf nicht geschlagen, das sei jedoch irrelevant, sagt Christopher Daase, Politikwissenschaftler bei der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.
Die Allianz habe den Krieg verloren, weil es im Krieg um das Erreichen politischer Ziele geht, und das sei nicht geschehen. Eine Strategie des Afghanistaneinsatzes war es, "die Köpfe und Herzen der Bevölkerung zu erobern." Dieser Ansatz habe eine koloniale Tradition und sei in Afghanistan gescheitert, sagt Christopher Daase.
"Man hätte das Scheitern dieses Krieges voraussehen können."
Aber warum verlieren große Staaten kleine Kriege? Christopher Daase beschreibt in seinem Vortrag, warum die Aufstandsbekämpfung in Afghanistan von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Zum einen spiele die Zeit den Taliban in die Hände. "Der Westen hat die Uhren, aber wir haben die Zeit", lautet ein Zitat der Taliban-Kämpfer.
Fehlkalkulation des Westens
Der Militäreinsatz kostet die westlichen Staaten Geld, sodass ein Abzug irgendwann unweigerlich folgen musste. Zweitens baute die westliche Allianz in Afghanistan Infrastruktur, um "die Herzen und Köpfe der Bevölkerung zu erobern." Diese Infrastruktur wurde dann jedoch zum Ziel von Anschlägen der Aufständischen, so der Politikwissenschaftler.
"Hätte man die Erfahrungen des amerikanischen Militärs in Vietnam ernst genommen, hätte man erkannt, dass konventionelle Armeen für die unkonventionelle Kriegsführung nicht besonders gut geeignet sind."
Ein weiterer Grund für das Scheitern in Afghanistan sei die Herangehensweise Deutschlands gewesen, sagt Christopher Daase. In der Öffentlichkeit sei vermittelt worden, die deutschen Soldatinnen und Soldaten würden im Norden Afghanistans der Bevölkerung helfen, während im Süden der schmutzige Krieg gegen die Taliban geführt würde. Wegen dieser künstlichen Trennung hätten sich die Taliban auch im Norden festsetzen können, sagt der Politikwissenschaftler. Auch der schnelle Zusammenbruch nach dem Abzug sei auf die deutsche Realitätsverweigerung zurückzuführen.
"Der Krieg, die Kreuzzugsrhetorik und vor allem die völkerrechtswidrigen Folterung und gezielten Tötungen mit Drohnen, machte in den Augen vieler aus den Kriminellen des Al-Quaida-Netzwerks die Freiheitskämpfer des Islam."
Christopher Daase ist Professor für Internationale Organisation an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und stellvertretendes Vorstandsmitglied am Leibniz-Institut der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Sein Vortrag hat den Titel "Sicherheitspolitische Lehren aus dem Scheitern in Afghanistan". Er hat ihn am 1. November 2021 gehalten im Rahmen der Konferenz "Das Afghanistan-Desaster: Lehren für die Zukunft?". Veranstaltet hat diese Konferenz das Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam an der Goethe-Universität.