Afghanistan-Konferenz in GenfAfghanistan ist nicht nur Schutt und Asche
Die Afghanistan-Konferenz in Genf will den Friedens- und Demokratieprozess voranbringen – eine schwere Aufgabe. Doch es gibt Lichtblicke: Silke Diettrich, Korrespondentin für Afghanistan, berichtet von starken Politikerinnen, die etwas bewegen wollen und sogenannten Artlords, die graue Mauern bunt bemalen.
Bei der letzten Parlamentswahl lief es total chaotisch: Wählerlisten waren unvollständig, Wahlberechtigte konnten aus technischen Gründen nicht sicher überprüft werden und die vollständigen Abstimmungsergebnisse aus Oktober liegen bis heute nicht vor. Auch die Präsidentschaftswahl, die eigentlich für April 2019 angesetzt wurde, soll wahrscheinlich um drei Monate verschoben werden.
Kämpfer auf beiden Seiten lagen sich teilweise in den Armen
Diese Beispiele zeigen, wie schwer es ist, die Demokratie in Afghanistan zu entwickeln. Auf der Afghanistan-Konferenz in Genf versuchen die Beteiligten dennoch, den Prozess voranzubringen – eine Mammutaufgabe. "Mehr als die Hälfte des Landes, geografisch gesehen, wird wieder von den Taliban regiert. Und da herrscht natürlich keine Demokratie", sagt Silke Diettrich. Sie ist Korrespondentin für Afghanistan.
Auch die afghanische Regierung nimmt an der Konferenz teil und will zeigen, was sie für den Friedensprozess getan hat. Und da gebe es tatsächlich Positives zu berichten, so Silke Diettrich. Zum allerersten Mal habe es in diesem Jahr eine dreitägige Waffenruhe gegeben. Statt zu schießen, lagen sich die Kämpfer auf beiden Seiten zum Teil in den Armen.
"Es gab zum allerersten Mal für drei Tage einen Waffenstillstand. Weder die Taliban noch die afghanischen Soldaten haben geschossen. Im Gegenteil, die haben sich sogar kurz mal in den Armen gelegen."
Auch wenn die Kämpfe wieder aufgenommen wurden, sei das für viele Afghanen ein wichtiges Signal und ein Hoffnungsschimmer gewesen. Auf der Konferenz in Genf hoffe die afghanische Regierung, dass ihre Bemühungen honoriert werden und andere Länder wieder bereit sind, zu investieren.
Starke Frauen und Graffitikünstler
Darüber hinaus habe es in den letzten zwei Jahrzehnten in Afghanistan definitiv weiter positive Entwicklungen gegeben, sagt Silke Diettrich. "Es gibt eine freie Presse in Afghanistan. Ich war bei einem Radiosender, da scherzten die dann morgens über die Regierung, über die Warlords und machten auch Witze über die Taliban. Das wäre vor 20 Jahren undenkbar gewesen."
Afghanistan sei ein wahnsinnig junges Land, das Durchschnittsalter liege bei 19 Jahren. Diese Jugend habe in den letzten Jahren eine Chance auf Bildung gehabt, sagt die Korrespondentin. Vor allem in den Städten gebe es tolle Frauen, die in Spitzenpositionen gelandet sind. Mehr als 400 Politikerinnen haben sich für die Parlamentswahlen aufstellen lassen.
"Es haben sich über 400 Politikerinnen für die Parlamentswahlen aufstellen lassen und die wollen was bewegen. Die wolle raus aus dem Krieg, raus aus der Korruption."
In Kabul gibt es sogar einen eigenen Frauensender, auch das afghanische Cricket-Team spielt erfolgreich. Silke Diettrich hat außerdem bemerkt, dass sich das Stadtbild verändert: "Die grauen Mauern in Kabul werden gerade bunt, weil es sogenannte Artlords gibt, die da Graffitis drauf malen mit echt coolen Botschaften". Das zeige zwar nicht das ganze Land, aber in Afghanistan liege längst nicht alles in Schutt und Asche.
Trotz aller positiven Aspekte: "Die Taliban glauben, sie seien die wahren Vertreter Gottes und die Afghanen müssen ihnen folgen. Und das hat echt nichts mit Demokratie zu tun", sagt Silke Diettrich. Daher wird es eine der größten Herausforderung der Verhandler sein, Frieden mit den totalitären Taliban zu schließen – aber die demokratischen, freiheitlichen Ziele nicht aufzugeben.
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