InitiativeAfD-Verbot: Jetzt oder nie?
Ist die AfD verfassungsfeindlich? Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten will das überprüfen lassen und hat einen Antrag auf ein Verbotsverfahren gegen die AfD eingereicht. Doch welche Chance hat das so knapp vor den Neuwahlen?
113 Bundestagsabgeordnete der Grünen, der SPD, der CDU, der Linken und des Südschleswigschen Wählerverbands haben gemeinsam ein AfD-Verbotsverfahren beantragt. Der Bundestag soll dafür stimmen, dass das Bundesverfassungsgericht die Partei daraufhin prüft, ob sie verfassungswidrig ist.
Der Mitinitiator und Sprecher der Initiative, Marco Wanderwitz von der CDU, ist sich sicher: Anders geht es einfach nicht mehr.
"Die AfD arbeitet mit permanenten Halbwahrheiten, mit Hass und Hetze – die kannst Du nicht mit Argumenten stellen. Leider nicht."
Mit politischen Mitteln könne man der Partei eben nicht begegnen, glaubt er und zieht einen Vergleich: Wenn zwei Mannschaften auf den Fußballplatz kommen – die eine in üblicher Fußballkleidung, aber die andere mit Baseballschlägern, dann sage der Schiedsrichter doch auch nicht: Ihr könnt sie ja sportlich stellen!
"Wir haben es hier mit einem Systemsprenger zu tun. Und einen Systemsprenger kann ich nicht im System stellen."
Deshalb sei es höchste Zeit, das Mittel zu nutzen, das als Lehre aus dem Ende der Weimarer Demokratie im Grundgesetz verankert ist: das Verbotsverfahren am unabhängigen Bundesverfassungsgericht. "Die AfD ist eine wirkmächtige rechtsextremistische Partei, die die Grundlagen unserer Demokratie, unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung angreift", so der CDU-Politiker.
Gründe für ein AfD-Verbot
Dass das Verfassungsgericht ausreichend Gründe für ein Verbot findet, darüber macht er sich keine Sorgen. Neben vielen anderen Punkten sei vor allem entscheidend, dass das Menschenbild der AfD nicht dem Menschenbild in Artikel 1 unseres Grundgesetzes entspreche, die AfD teile Menschengruppen in Klassen ein.
"Die AfD unterscheidet nach Menschen erster und Menschen zweiter Klasse."
Marco Wanderwitz bringt dafür ein Beispiel: Wir haben in Deutschland aktuell rund 44.000 unbedingt ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber, erklärt er. Wenn nun AfD-Mitglieder wie am Wahlabend in Brandenburg Schilder hochhielten auf denen steht "Millionenfach abschieben!", dann hieße das nichts anderes als der NPD-Slogan "Ausländer raus!" damals in den 90er Jahren.
Risiko: Scheitern des Verbotsverfahrens
Wenn das Verbotsverfahren scheitert, könnte die AfD das für sich nutzen, räumt er ein. Aber die Chancen stünden gut und ohne Restrisiko ginge es eben nicht. Umgekehrt sei viel zu gewinnen: Wir stehen kurz davor, dass die AfD einige Bundesländer übernehmen könnte, glaubt Marco Wanderwitz, wir sollten nicht noch länger abwarten.
"Irgendwann ist der Punkt, wo es zu spät ist. Und den wollen wir nicht ausprobieren und abwarten."
Nun liegt der Antrag bei der Bundestagspräsidentin und die Initiator*innen hätten mit Blick auf die Neuwahlen im Februar gerne, dass der Antrag möglichst bald im Bundestag abgestimmt wird. Aber wie schnell das ganze nun geht, ist unklar.
Abstimmung wohl erst nach der Neuwahl
In diesem Jahr gibt es nämlich nur noch zwei Sitzungswochen des Bundestages, erklärt unsere Berlin-Korrespondentin Nadine Lindner, die seit Jahren zur AfD berichtet. Und die letzte Sitzungswoche wird zugestopft sein mit den Themen, die die Reste der Ampel und die Union oder andere Mehrheiten noch beschließen wollen. Hinzu kommt, dass der Bundestag noch weit entfernt ist von einer Mehrheit für den Antrag, sagt Nadine.
Es ist auch noch ein zweiter Antrag in Arbeit, ergänzt unsere Korrespondentin, der noch nicht bei der Bundestagspräsidentin eingereicht ist, und zwar der Antrag von Bundestagsabgeordneten der Grünen. Der ist etwas vorsichtiger und schlägt vor, die Bundestagspräsidentin solle erst mal Gutachter beauftragen, um die Erfolgsaussichten eines Verbots zu bewerten, sagt sie.
"Man sieht jetzt vor der Wahl noch das Momentum. Nach der Wahl könnten die politischen Mehrheiten im Parlament einfach andere sein."
Nach den Neuwahlen im Februar sieht der Bundestag wohl etwas anders aus, das ist auch den Initiator*innen des härteren Antrags klar. Deshalb drängt die Zeit. Aber mal angenommen, es würde tatsächlich doch noch 2024 abgestimmt und der Antrag würde angenommen – was würde dann passieren?
Verbotsantrag: So geht's weiter
Das Bundestagspräsidium müsste dann erst mal Prozessbevollmächtigte einsetzen, erklärt Nadine, also im Kern Rechtsanwält*innen, die Unterlagen zusammenstellen und einen Schriftsatz formulieren, der dann beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden kann. Das würde dann erst mal prüfen, ob dieser Antrag überhaupt formal korrekt ist.
Vorher gäbe es aber noch mal eine Pause von etwa zwei Monaten, in der die sogenannte Staatsfreiheit hergestellt wird, erklärt sie weiter. Denn die AfD ist ja Prüffall. Das heißt, in der AfD könnten etwa V-Leute eingesetzt sein.
V-Leute müssten abgezogen werden
Es muss sichergestellt sein, das nicht solche verdeckten Vertrauenspersonen, die vom Verfassungsschutz selbst kommen, Aktionen produzieren, die verfassungsfeindlich sind und zu einem Verbot führen könnten.
Erst, wenn diese Staatsfreiheit dann hergestellt wäre, würde das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungsprozess über ein Verbot einsteigen. Ein milderes Mittel als ein Verbot könnte übrigens auch der Ausschluss der AfD von der staatlichen Parteienfinanzierung sein, ergänzt unsere Korrespondentin.
"Ich habe ziemlich große Zweifel, ob ein AfD-Verbotsverfahren ein Selbstläufer wäre."
Nadine Lindner hat allerdings Zweifel, ob ein Verbot klappen würde. Und das aus mehreren Gründen:
Grund 1: Zum einen fehlt das neue Gutachten vom Bundesverfassungsschutz, das eigentlich dieses Jahr noch erwartet wurde – und zwar mit der Annahme, dass die AfD als Gesamtpartei als gesichert rechtsextrem hochgestuft werden könnte.
Wegen der vorgezogenen Neuwahlen kommt das aber jetzt noch nicht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hält sich vor Wahlen zurück, weil es ja allein schon durch die Beobachtung der Partei in den Parteienwettbewerb eingreift, sagt Nadine. Dieses Gutachten wird also erst weit in 2025 kommen.
Grund 2: Hinzu kommt, dass nicht alle Landesverbände der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft sind – auch das könnte ein Argument gegen ein Verbot sein.
Grund 3: Drittens enthält das reine Parteiprogramm der AfD nicht sehr viele verfassungsfeindliche Punkte. Allerdings hält die AfD sich in vielen Punkten gar nicht an ihr eigenes Parteiprogramm, ergänzt Nadine.
Denn sie produziert und reproduziert über Äußerungen von Parteimitgliedern und Funktionsträger*innen in den Social Media oder bei Parteiveranstaltungen sehr wohl verfassungsfeindliche Inhalte. Diese Aussagen von Einzelpersonen müssen der Partei immer wieder zugerechnet werden. Und das würde ihres Erachtens einer der größten Knackpunkte eines Verbotsverfahrens.
Hohe Hürden - große Hoffnungen
Ein Verbotsverfahren könnte also durchgehen, aber die Hürden sind hoch. Und vor der Wahl würde es ganz sicher nicht mehr zu einem Verbot kommen. Trotzdem glaubt Mitinitiator Marco Wanderwitz an die Initiative.
Seine Hoffnung: Wenn das Bundesverfassungsgericht als unabhängiges Organ feststellen würde, dass die AfD rechtsextrem ist, dann merken deren Wähler*innen, dass sie sich geirrt haben und überdenken ihre Entscheidung.
"Tausende, wahrscheinlich zehntausende von Steuergeld finanzierte Rechtsextremisten haben dann nicht mehr die Zeit, 24 Stunden am Tag mit Hass und Hetze analog und digital die Menschen zu fluten."
Und: Wenn die Partei verboten würde, dann wären auch Nachfolgegründungen verboten, ihr Vermögen würde eingezogen, alle Mandate von lokaler bis Europa-Ebene inklusive deren Stab würden sofort erlöschen. Das wäre eine Atempause für die Demokratie, um den gesellschaftlichen Frieden neu zu verhandeln, so glaubt er.