Additive biasHinzufügen fällt leichter als Weglassen

Weniger ist oft mehr. Aber warum machen wir es anders, wenn wir Probleme lösen wollen? Dabei fällt uns das Weglassen eher schwer. "Additive bias" heißt das Phänomen und es ist sehr menschlich.

Wir verkomplizieren manchmal gerne: Statt bei Problemlösungen auf Weglassen zu setzen, fügen wir Dinge hinzu. Diese "additive bias" ist eine kognitive Verzerrung und leider nicht die einzige. Auch beim Erinnern oder Urteilen können solche fehlerhaften Neigungen auftreten.

Ein Beispiel für "additive bias" ist die Entwicklung längerer Akkulaufzeiten für Smartphones. "Klassischerweise hauen wir noch was drauf", sagt unsere Reporterin Anne-Katrin Eutin. Die Akkus werden also größer.

Möglich wäre es aber auch, die Software der Smartphones zu optimieren. Zum Beispiel, indem Apps, die nicht unbedingt nötig sind, nur vorinstalliert werden. So ließe sich Akkuleistung einsparen, so Anne-Katrin Eutin.

Additive bias: kognitive Verzerrungen sind menschlich

Ein anderes Beispiel sind Kinderfahrräder. Mittlerweile lernen Kinder das Radfahren oft mit Laufrädern – ohne Pedalen und Stützräder. Weil man festgestellt hat, dass Kinder so besser lernen, die Balance zu halten, so unsere Reporterin. Auch hier ist das Weglassen die Lösung.

Dennoch fallen uns solche Lösungen schwer. Denn unser Gehirn mag das Weglassen nicht, so Tilmann Betsch. "Unser Gehirn funktioniert nicht negativ", sagt der Psychologe der Universität Erfurt.

Schließt die Augen und versucht nicht an weiße Eisbären zu denken. Was seht ihr? Womöglich so ein süßes Tier, wie auf dem Foto?

Ein Beispiel ist, nicht an weiße Bären zu denken. Aber genau das – nämlich weiße Bären – schwirren uns dann durch den Kopf.

"Das Ausblenden von Dingen klappt nicht. Weil wir in dem Moment, wo wir etwas nicht mehr denken oder wegnehmen wollen, immer wieder positiv draufschauen."
Tilmann Betsch, Psychologe der Universität Erfurt

Wir können etwas nicht nicht denken. Genau das passiert auch beim Lösen von Aufgaben und Problemen. Wir fügen lieber etwas hinzu.

Genau das könnte erklären, warum wir uns mit Möglichkeiten, das Klima zu schützen so schwer tun. "Weil es vor allem ums Weglassen geht", sagt Anne-Katrin Eutin. Kein Fliegen mehr, kein Fleischessen, generell kein übermäßiger Konsum.

"Das Weglassen lässt sich üben."
Anne-Katrin Eutin, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Die gute Nachricht ist: Weglassen lässt sich erlernen, so Anne-Katrin Eutin. Nämlich, wenn wir immer wieder damit konfrontiert werden.

In einer Studie zum "additive bias" zeigte sich, dass die Proband*innen vereinfachende Lösungsstrategien angewandt haben, wenn ihnen vorher gesagt wurde, dass sie Dinge auch weglassen können.