Abstimmung über VerfassungsänderungDie große Frage
Am Sonntag wird in der Türkei über die Verfassungsänderung abgestimmt. Die, die für ein "Nein" werben, haben es schwer. Und doch prognostizieren die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Aktuelles zum Referendum in der Türkei findet ihr hier: Präsidialsystem - ja oder nein?
Die Frage, ob in der Türkei die Verfassung geändert wird oder nicht, ist die, die zurzeit alles bestimmt. In der Türkei fahren Minibusse durch die Straßen, die die Bevölkerung mit Wahlwerbehymnen beschallen. An jeder Ecke ist Wahlwerbung zu sehen, vor allem die Erdogan-Propaganda. Ganze Hochhäuser sind in Erdogan-Plakate eingewickelt. Er verspricht Wirtschaftsaufschwung und Terrorbekämpfung.
"Der Wahlkampf bestimmt den Alltag sehr", sagt die Türkei-Korrespondentin Luise Sammann, "er ist das einzige politische Thema."
Die Opposition hat es schwer. 80 Prozent der Medien sind direkt oder indirekt unter Erdogan-Kontrolle. Es gibt keinen einzigen Fernsehsender mehr, der Erdogan-kritisch ist. In Talkshows werden Erdogan-Kritiker nicht mehr eingeladen. Nur noch eine Zeitung schreibt gegen Erdogan.
"Ein Durchschnittstürke sieht nichts anderes als Erdogan-Propaganda. Das ist eine große psychologische Kraft, die der Opposition fehlt."
Wer gegen die Verfassungsänderung und/oder Erdogan ist, muss vorsichtig sein, sagt Luise Sammann. Oppositionelle, die auf der Straße unterwegs sind und zum Beispiel Aufkleber und Flyer verteilen, enden meist in Polizeigewahrsam, mindestens aber werden ihre Ausweise kontrolliert.
Die Meinungsforscher sagen zurzeit trotzdem ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Ein Ja, ein Nein - beides ist möglich. Nur: Selbst, wenn die Türken mehrheitlich mit Nein stimmen, behält Erdogan seine Macht.
"Erdogan ist ja schon allmächtig. Es geht hier ja nur um eine legale Anpassung an den De-facto-Status."
Ein Nein wäre trotzdem wichtig für die Opposition, sagt Sammann - weil es ihnen das Gefühl gäbe, doch etwas ausrichten zu können. Allerdings vermutet sie auch, dass Erdogan einen "Plan B" hat.