9-Euro-TicketVerkehrswissenschaftlerin: "Für eine Mobilitätswende müssten wir viel mehr investieren"
Passend zur Halbzeit der Testphase für das Neun-Euro-Ticket schlägt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen vor, das Sonderticket erst mal zu verlängern. Andere fordern ein dauerhaftes Deutschlandticket für 69 Euro im Monat. Für Verkehrswissenschaftlerin Kathrin Viergutz geht es weniger um den Preis. Sie findet, dass vor allem die Infrastruktur stimmen muss. Eine Zwischenbilanz.
Das Neun-Euro-Ticket sollte es auch im September und Oktober geben. Dafür hat sich der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ausgesprochen. Damit könnte das Sonderticket die geforderte Übergangslösung sein, bis die Daten zum vergünstigten Angebot für die Monate Juni bis August ausgewertet sind. Also bis klar ist, wie viele Menschen das Ticket gekauft haben, wer vom Auto auf Bus und Bahn umgestiegen ist und wie ein bundesweites Ticket für den öffentlichen Nahverkehr in Zukunft aussehen könnte.
"Der VDV möchte vermeiden, dass die Menschen, die sich das Neun-Euro-Ticket gekauft haben, wieder davon abkommen."
Eine Verlängerung des Neun-Euro-Tickets wäre laut dem VDV vor allem eine schnelle Lösung. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) möchte nämlich erst im November darüber beraten, ob es eine Nachfolge vom Sonderticket geben kann und wie diese aussehen könnte. Damit gehe die Politik aber auch das Risiko ein, den Schub, den das vergünstigte Ticket der Schiene gegeben hat, wieder ins Leere laufenzulassen, so der Verband.
9-Euro-Ticket: Ein Freizeitticket
Die Zahlen zeigen: Alleine im Juni hat sich fast die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland für das Neun-Euro-Ticket entschieden, rund 21 Millionen der Sondertickets wurden verkauft.
Im Juni waren rund 42 Prozent mehr Menschen auf der Schiene unterwegs als noch im Juni 2019, also vor der Corona-Pandemie, sagt Verkehrswissenschaftlerin Kathrin Viergutz. "Das zeigt, dass viele Menschen das Ticket gerne mal ausprobieren."
Offenbar nutzen viele von ihnen das Ticket vor allem in der Freizeit für alltägliche Wege wie zum Einkaufen und auch Ausflüge. Darauf weise ein besonders starker Anstieg der Fahrten zwischen 30 und 300 Kilometern hin. Menschen, die mit dem ÖPNV zur Arbeit pendeln, fallen hier eher raus.
"Wir werden nach dieser Testphase feststellen, dass der Preis nicht das wichtigste Kriterium bei der Wahl eines Verkehrsmittels ist."
Allerdings sind die Nutzenden nur bei sechs Prozent der Fahrten von anderen Verkehrsmitteln auf Bus und Bahn umgestiegen, meldet der VDV. "Wir sind insgesamt nicht anders unterwegs als sonst, sondern einfach mehr", so die Verkehrswissenschaftlerin. Das Ticket ist für viele Menschen also auch eine Möglichkeit, den ÖPNV überhaupt zu nutzen. Die erhoffte Lösung für die Verkehrswende war das vergünstigte Ticket im Juni zumindest aber eher weniger.
Das Angebot stimmt weiter nicht
Die Zwischenergebnisse von Studien, die zum Beispiel die Uni Kassel oder die TU Dresden und Uni Göttingen während der dreimonatigen Testphase durchführen, zeigen zwar schon, dass die Menschen bereit sind, mehr als neun Euro für ein bundesweites Ticket zu zahlen. Das könnte auch für die Verkehrsunternehmen ein Vorteil sein, denn ein dauerhaft günstiges und beliebtes Ticket würde für sie auch zuverlässige Einnahmen bedeuten, erklärt Kathrin Viergutz. Die müssten die Unternehmen dann allerdings besonders in den Ausbau des ÖPNV investieren.
"Um eine Mobilitätswende zu erreichen, müssen wir viel mehr investieren."
Denn aktuell sieht die Verkehrswissenschaftlerin noch die Zuverlässigkeit, Flexibilität und Sauberkeit von Bussen und Bahnen als entscheidendes Problem an. "Öffentliche Verkehrsmittel sind im Prinzip eine gute Sache. Aber es macht überhaupt keinen Spaß, sie zu nutzen."