8. Mai 1945Sprechpause der Geschichte
Am 8. Mai um 23.01 Uhr kapitulierte die Deutsche Wehrmacht. Was da vor genau 71 Jahren geschah, war aber keineswegs das Ende des Zweiten Weltkriegs, wie vielfach behauptet.
Die Historikerin Ulrike Jureit von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Politik verweist darauf, dass die Kriegshandlungen vor allem im Osten Europas danach noch weitergingen. Allenfalls der 2. September 1945 lasse sich als Datum festschreiben, doch seien durchaus auch andere Zeitpunkte denkbar. "Vom Ordnen der Zeit - 1945 als historische Zäsur" ist ihr Vortrag überschrieben, den sie am Hamburger Institut für Sozialforschung gehalten hat.
Dessen Gründer, Jan Philipp Reemtsma, spricht die Einführung zu ihrer Analyse von Geschichte. Reemtsma philosophiert zunächst über die Frage, welchen Sinn Geschichte vermittele oder welche Wahrheiten sie uns lehren könne:
"Sogar ein biologistischer Wahnsinniger wie Hitler war davon affiziert, indem er den Ausgang des Krieges nicht für ein individuelles Versagen hielt, sondern für eine Auskunft über den Trend der Geschichte."
Das Chaos um den genauen Zeitpunkt der Kapitulation nutzt Jureit, um auf verschiedene denkbare Zäsuren aufmerksam zu machen. So gab es vor dem 8. Mai bereits Teilkapitulationen. Und am 9. Mai schließlich wurde die Ratifizierung der Kapitulationsurkunde auf den 8. Mai zurückdatiert.
Doch die eigentliche Kapitulation war schon am 7. Mai in Reims über die Bühne gegangen, allerdings ohne die sowjetischen Offiziere, so dass dies später nachgeholt werden musste. Dennoch hält Jureit über den 8.5. fest:
"Es gibt vermutlich kein anderes Datum im 20. Jahrhundert, dem eine vergleichbare Veränderungskraft zukommt."
Am 8. Mai hatte zudem nur die Wehrmacht aufgegeben, nicht jedoch das NS-Regime und auch nicht das Deutsche Reich. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki während des weiter tobenden Krieges folgten erst im August.
Bernd Ulrich erinnert außerdem in einem Kurzbeitrag an die Irrungen und Wirrungen rund um das historische Datum vor 71 Jahren.
Weiterführende Links:
- Ulrike Jureit: Vom Ordnen der Zeit | 1945 als historische Zäsur
- Jan Philipp Reemtsma: Der Geisterunternehmer | Jan Philipp Reemtsma, der Ideengeber für sein Hamburger Institut für Sozialforschung, tritt ab.