Präzedenzfall1973: Roe vs. Wade – die Abtreibungsdebatte in den USA
Zwei Kinder hat sie zur Adoption freigegeben, das dritte möchte sie abtreiben, bevor es geboren wird. Also beginnt Norma McCorvey 1973 den Prozess, der als "Roe vs. Wade" in die US-Geschichte eingeht.
Norma McCorvey hat schon zwei Kinder zur Welt gebracht und zur Adoption frei gegeben, als sie Mitte 1972 zum dritten Mal ungewollt schwanger wird. Sie möchte das Kind nicht behalten und sucht im US-amerikanischen Bundesstaat Texas nach einer Möglichkeit, die Schwangerschaft abzubrechen.
Aber keine Ärztin oder Arzt hilft ihr, weil Abtreibungen in Texas verboten sind, es sei denn, das Leben und die Gesundheit der Mutter stehen auf dem Spiel. Norma McCorvey wendet sich an zwei Rechtsanwältinnen, die beschließen, eine Klage wegen des Verstoßes gegen die amerikanische Verfassung einzureichen.
"Das Besondere am Urteil "Roe vs. Wade" ist, dass hier eine gesamtstaatliche Regelung für die USA erlassen wird, indem die Einzelstaaten gezwungen werden, ihre Abtreibungsgesetzgebung der Bundesgesetzeslage anzupassen."
Norma McCorvey möchte anonym bleiben und nennt sich deshalb Jane Roe, angelehnt an John Doe, der wie in Deutschland Max Mustermann als fiktiver Familienname verwendet wird. Verklagt wird der Bezirk Dallas County, dessen Bezirksstaatsanwalt Henry Wade ist. "Roe gegen Wade" landet vor dem Obersten Bundesgericht der USA und ruft ein aufsehenerregendes Urteil hervor.
Die Richter entscheiden am 22. Januar 1973, dass "die Gesetze des Staates Texas bezüglich eines Schwangerschaftsabbruchs" den 14. Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung verletzen. Damit geben die ausschließlich männlichen Richter Norma McCorvey Recht: Frauen haben das Recht, über die Fortführung einer Schwangerschaft selbst zu entscheiden.
Staatliche Abtreibungsverbote dürfen nicht erlassen werden
Der Staat – so die Richter weiter – dürfe in den ersten drei Monaten überhaupt nicht und zwischen dem vierten und siebten Monat nur eingeschränkt eingreifen. In den letzten drei Monaten steht zwar der Schutz des ungeborenen Lebens im Vordergrund, staatliche Abtreibungsverbote dürfen jedoch nicht erlassen werden, wenn Leben oder Gesundheit der Schwangeren bei einem Abbruch auf dem Spiel stehen.
Für Norma McCorvey kommt diese höchstrichterliche Entscheidung zu spät, sie hatte ihr drittes Kind schon zur Welt gebracht und erneut zur Adoption freigegeben.
Ihr hört in Eine Stunde History:
- Die Historikerin Isabel Heinemann hat zur Geschichte von Schwangerschaftsabbrüchen geforscht und erläutert die Situation für Frauen in den USA vor dem Urteil "Roe vs. Wade".
- Doris Simon ist USA-Korrespondentin des Deutschlandfunks und beschreibt, wie es nach dem Urteil des Supreme Court im Jahr 2022 um Frauen steht, die einen Abbruch vornehmen lassen wollen.
- Die Journalistin Dinah Riese hat sich mit der Debatte um Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland beschäftigt.
- Der Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt auf den Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen bis in die Antike zurück.
- Die Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Nadine Kreuzahler erinnert an den Fall der Norma McCorvey alias Jane Roe.