Das Schiff war ein Symbol der europäischen Flüchtlingspolitik. Nun stellt die Aquarius ihren Dienst ein. Der Druck wurde zu groß. "Ärzte ohne Grenzen" und SOS Méditerranée suchen jetzt nach Alternativen.
"Die Aquarius ist die letzten Monate schon sehr gebeutelt gewesen – durch geschlossene Häfen, dass wir die Geretteten nicht mehr an Land bringen konnten", sagt Verena Pape, Sprecherin von SOS Méditerranée und berichtet, dass der Aquarius in den vergangenen Monaten viele Steine in den Weg gelegt wurden. Zum Beispiel war dem Schiff das Anlegen in Häfen untersagt. Der Partner, die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen", musste sich mit dem Vorwurf herumschlagen, man hätte seinen Müll nicht ordnungsgemäß entsorgt. Das Schiff wurde daraufhin beschlagnahmt. Pape sagt, das seien Gründe, warum sie sich nun entschieden hätten, die Aquarius aufzugeben und nach einem neuen Schiff zu suchen.
Ohne Flagge kann das Schiff nicht aufs Meer raus und retten
Das letzte Mal, dass die Aquarius auf dem Mittelmeer unterwegs war, liegt Wochen zurück. Der Grund: Zunächst hatte Panama dem Schiff die Flagge entzogen, nachdem sie Menschen gerettet hatten. Die Aquarius war dann nach Marseille gefahren und hatte dort im Hafen gelegen – ohne Flagge sei es aber eigentlich nicht möglich, einen Hafen anzusteuern, erklärt Verena Pape. Übergangsweise war das Schiff dann unter liberischer Flagge gefahren – allerdings gab es auch hier die Auflage, dass die Organisation unter dieser Flagge keine Menschen retten darf.
"So lagen wir im Hafen von Marseille, gebeutelt von den Steinen, die man uns in den Weg gelegt hatte. Und haben uns entschieden, nach einem neuen Schiff zu schauen."
Die Beschlagnahmung des Schiffes – nach den Vorwürfen, Ärzte ohne Grenzen habe den Müll falsch getrennt – bezieht sich explizit auf das Schiff, nicht auf die Organisation. Darum glauben die Mitarbeiter der Rettungsorganisationen, dass es nun einfacher sei, nach einem neuen Schiff zu suchen. Das Problem, unter welcher Flagge sie dann fahren können, bestehe aber nach wie vor. Pape erklärt, dass sie gerade nach einem Land suchen, das sie unter seiner Flagge fahren lässt und auch akzeptiert, dass mit dem Schiff Menschen gerettet werden.
"Wir hoffen, dass die Zivilgesellschaft weiter hinschaut und sieht, dass eigentlich europäische Regierungen das Retten von Menschen verhindern und damit in Kauf nehmen, dass Menschen sterben."
Es sei ein trauriger Tag, zu entscheiden, dass sie nicht mehr mit der Aquarius in See stechen können, sagt Pape, allerdings sei es wichtiger zu schauen, dass überhaupt jemand raus aufs Meer fahre und darüber berichte, was dort passiert.
Das Schiff, das für die Zwecke der Flüchtlingsrettung umgebaut wurde, muss nun wieder zurückgebaut werden. Die eingebaute Küche und die Rettungsmittel müssen raus. Ende des Jahres wird das Schiff dann an die Reederei zurückgegeben.
"Wenn niemand da draußen ist – auch wir nicht, dann kann niemand bezeugen, was im Mittelmeer passiert. Darum ist es so wichtig, dass wir den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken."
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